Gemeinsam gewinnen mit dem Erfolgsfaktor Kooperation – Schritt 2: Ko-Zentrieren

Kooperationen denken
Lesedauer: 4 Minuten

Das Mango-Prinzip*-Teil 2

Sobald wir auf Wettkampf setzen – was auch immer der Auslöser dafür sein mag – gibt es einen Gewinner und einen Verlierer und damit ein sogenanntes Nullsummenspiel. Die Bereitschaft zum Ko-Zentrieren ist eine wesentliche Voraussetzung, um kooperativ zu denken und zu handeln. Ko-zentrieren bedeutet in „sowohl als auch“ zu denken, statt in „entweder oder“. Es bedeutet, in sozialen Interaktionen immer nach dem beiderseitigen Vorteil zu suchen.

Dem zugrunde liegt die Haltung, dass das Leben keine Wettkampfarena, sondern ein Kooperationsfeld ist. Eine Haltung, die davon ausgeht, dass genug für alle da ist und dass wir gemeinsam gewinnen können. Das ist nicht immer leicht, denn Erziehung, Gesellschaft und auch viele Unternehmen förderten in den letzten Jahrzehnten Konkurrenzverhalten mehr als Kooperationsverhalten. Hinzu kommen die Automatismen, denen wir unbewusst folgen, wenn wir unter Stress geraten: Dann übernimmt unser Reptiliengehirn die Führung. Sein Fokus ist Überleben und die möglichen Strategien lauten Kampf oder Flucht. Rationales Denken ist dann nicht mehr angesagt.

Keine (faulen) Kompromisse mehr

Wenn wir kämpfen, versuchen wir unsere eigenen Ziele mit aller Macht durchzusetzen. Wenn wir flüchten, geben wir klein bei und opfern unsere eigenen Interessen. Ko-Zentrieren bedeutet, sowohl die eigenen als auch die Interessen des anderen im Blick zu haben und eine Lösung zu finden, die beiden gerecht wird. Kompromisse zu schließen ist im Übrigen auch Teil des Entweder-oder-Denkens. Jeder gewinnt ein wenig, jeder verliert ein wenig und keiner der beiden ist komplett zufrieden.

Auf Kommunikation achten

Am einfachsten ist das Fehlen der Ko-Zentrierung am Kommunikationsverhalten zu beobachten: Sobald jemand versucht, seine Meinung mit aller Macht durchzusetzen und eine andere nicht gelten lässt oder wenn jemand still wird, sich zurückzieht und seine Meinung gar nicht erst äußert. Sowohl die Kampf- als auch die Fluchtstrategie gehören zum Konkurrenzverhalten. Wir konzentrieren uns nur noch darauf, in der jeweiligen Situation zu überleben. Das Fatale dabei ist, dass wichtige Gedanken unausgesprochen oder ungehört bleiben und nicht alle Ideen und Perspektiven in die Lösungsfindung einbezogen werden. In einer Welt, in der Zusammenhänge immer schwerer zu durchschauen sind und in der Wissen immer schneller veraltet, ist dieses Verhalten sehr riskant. Für eine mögliche Kooperation ist es ein garantierter Erfolgs-Killer. Ein Beispiel aus der Projektpraxis demonstriert dies deutlich:

Kollege Schmitt schlägt vor, das Projektmeeting bereits am Mittwoch durchzuführen. Projektleiter Renser besteht darauf, es erst am Freitag durchzuführen, weil er am Mittwoch und Donnerstag nicht da ist. Die anderen Kollegen unterstützen das, zumal Schmitt auf Nachfrage sagt, dass er am Freitag da ist. Schmitt akzeptiert den Termin mit einem Achselzucken.

Beim Blick auf die Interessen zeigt sich, dass Schmitt ab Montag im Urlaub ist. Er hat das Mittwochmeeting vorgeschlagen, um wichtige Aufgaben, die sich erfahrungsgemäß aus den Projektmeetings ergeben, noch vor dem Urlaub erledigen und am Freitag pünktlich um 16 Uhr gehen zu können. Seine Frau hat am Samstag ihren 50. Geburtstag, sodass sie noch am Freitagabend im Hotel ankommen möchten. Das zu erwähnen erscheint ihm nicht angemessen. Nachdem er auf eine Beförderung wartet, möchte er nicht den Eindruck erwecken, dass er private über berufliche Belange stellt – auch wenn er seiner Frau einen unvergesslichen Geburtstag bereiten und die Reise auf jeden Fall wie geplant starten will.

Für Projektleiter Renser ist der Erfolg des zeitkritischen Projektes sehr wichtig. Für einige Projektmitglieder kann es ein Sprungbrett für anspruchsvollere Aufgaben sein und er will sie dabei unterstützen. Um seiner Vorbildrolle gerecht zu werden und dazu beizutragen, dass alle motiviert sind, will er auf jeden Fall beim Meeting dabei sein und es dann auch leiten. Schmitt’s bevorstehenden Urlaub hat er aus dem Blick verloren.

Werden die unterschiedlichen Ziele und Interessen nicht offen gelegt oder hinterfragt, kann die scheinbar einfache Entscheidung, das Meeting am Freitag durchzuführen, allen Beteiligten schaden:

Schmitt ist möglicherweise im Meeting nicht so aktiv mit seinen Ideen dabei, um zu vermeiden, dass er zu viele Aufgaben mitnimmt. Renser und die Kollegen werden möglicherweise davon überrascht sein, dass Schmitt ablehnt, eine wichtige Neuberechnung durchzuführen, obwohl sie nur zwei Stunden in Anspruch nimmt, angeblich weil er keine Zeit dafür hat. Renser wird sich möglicherweise fragen, ob Schmitt sein Engagement verloren hat und dessen Aufgaben einer anderen Person übertragen. Das wiederum wird Schmitt enttäuschen, der es aber erst nach dem Urlaub erfahren wird.

Aktiv Alternativen ansprechen

Wären die Interessen und Ziele beider Seiten sofort auf den Tisch gekommen, hätte neben Mittwoch oder Freitag nach einer dritten Lösung gesucht werden können. Möglicherweise hätte Renser die Chance gesehen, Schmitt besonders zu motivieren, indem er ihm die Leitung des Mittwochmeetings überträgt sowie dadurch gleichzeitig den Projektablauf sicherzustellen.

Gerade weil wir anders konditioniert sind und Stress uns schnell auf die Wettkampfbahn schickt, ist es wichtig, das Ko-Zentrieren immer wieder zu üben. Dazu müssen wir uns zunächst darüber klar werden, was eigentlich unser Ziel ist und welches Interesse dahinter steht. Dann geht es darum herauszufinden, welche Ziele und dahinterstehende Interessen die anderen Personen verfolgen. Fragen wie „was ist Ihr Ziel?“ und „aus welchem Grund ist Ihnen das wichtig?“ sowie aktives Zuhören, also zuzuhören mit der Absicht, wirklich zu verstehen und sich dessen rückzuversichern, sind Schlüsselfähigkeiten, die eine erfolgreiche kooperative Zusammenarbeit ermöglichen.

Ko-Zentrierung erfordert

  • Integrität – zu seinen wirklichen Gefühlen, Werten und Verpflichtungen zu stehen.
  • Mut – die eigene Meinung und Interessen zu äußern, auch wenn sie vielleicht nicht gerne gehört werden oder mit Widerspruch zu rechnen ist.
  • Aufgeschlossenheit – die Meinung und Gefühle anderer zu berücksichtigen.
  • Kreativität – Lösungen zu finden, die beider Ziele/Interessen vereinen.

Dem *Mango-Prinzip zugrunde liegt folgende Geschichte:

Gerd ist Anthropologe und besucht einen Stamm in Malawi, Südostafrika. An diesem Tag zeigt er einen Korb voller frischer duftender leuchtender Mangos den Kindern des Stammes, in deren großen Augen man praktisch lesen kann: „Wie komme ich an die Mangos?“ Er stellt den Korb 300 m entfernt unter einen Affenbrotbaum und sagt: „Heute machen wir ein Wettrennen, ich zähle bis drei, dann rennen alle los und wer zuerst beim Korb ist, der gewinnt die Mangos!“ Gerd zählt ein „eins, zwei und drei!“ Doch die Kinder laufen zu seiner Überraschung nicht sofort los. Sie schauen sich in die Augen, fassen sich an den Händen und spurten erst dann los. Kurz vor dem Korb bleiben sie noch einmal stehen, vergewissern sich, dass sie gleichauf sind und gehen dann absolut gleichzeitig über die Ziellinie. Die Kinder jubeln und beratschlagen, was sie mit den Mangos machen, damit alle etwas davon bekommen.

Über die Autorin:

Ulrike Stahl denkt Kooperation nicht nur neu, sie lebt und lehrt sie auch. Mit ihrer in London lebenden Schwester hat sie über die Ländergrenzen hinweg ein gemeinsames Unternehmen aufgebaut. Über 2000 Unternehmer unterstützte sie bereits bei der Vernetzung und dem Geschäftsaufbau. Seit 12 Jahren trainiert und coacht die Wahl-Schweizerin Teams und Führungskräfte von DAX-Unternehmen und Mittelständlern weltweit. Studiert und gelernt hat sie den strukturiertesten Beruf der Welt: Dipl. Verwaltungswirtin. Sie liefert den Beweis, dass Struktur und Inspiration erfolgreiche Partner sind.

 
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