Den Personalabbau für Mitarbeiter fair gestalten

Den Personalabbau für Mitarbeiter fair gestalten
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In den kommenden Monaten werden corona-bedingt viele Unternehmen vor der Herausforderung stehen, Personal abzubauen. Oft ist es sinnvoll, für diesen Prozess Berater als Unterstützer zu engagieren – auch um den Betriebsfrieden zu bewahren. Ein Praxisbeispiel!

Mitte 2019 stand ein mittelständisches Produktionsunternehmen vor der Alternative: Entweder wir senken unsere Kosten oder wir müssen bald unsere Pforten schließen. Also stellte die Geschäftsleitung alle Sachausgaben auf den Prüfstand. Was entbehrlich war, wurde gestrichen. Doch dies allein genügte nicht. Deshalb reifte in der Unternehmensleitung die Erkenntnis: Wir müssen circa 20 Prozent unserer fast 250 Mitarbeiter entlassen.

Ein Drehbuch für den Trennungsprozess entwerfen

Leicht fiel der Geschäftsleitung des Familienunternehmens diese Entscheidung nicht – unter anderem, weil sie befürchtete: Wenn wir in größerem Umfang Mitarbeiter entlassen, zerstört dies unsere von einem starken Wir-Gefühl geprägte Unternehmenskultur. Deshalb beschloss sie: Wir arbeiten mit einem Beratungsunternehmen zusammen, das

  • uns hilft, den Trennungsprozess fair zu gestalten und
  • die Entlassenen dabei unterstützt, für sich eine neue berufliche Perspektive zu entwerfen.

Als Partner wählte die Geschäftsleitung die unter anderem auf das Thema Turnaround spezialisierte Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal. Ihr Senior-Consultant Thomas Fischer entwarf mit dem geschäftsführenden Gesellschafter des Maschinenbauunternehmens, dessen Personalleiter und einem kleinen Team eingeweihter Führungskräfte ein Konzept für den Kündigungs- und Trennungsprozess.

Parallel dazu wurden alle gesetzlichen, tariflichen und betrieblichen Instrumente zur Personalanpassung ohne Entlassungen (z.B. Altersteilzeit, Teilzeitarbeit oder interne Versetzungen) geprüft. Außerdem wurde der Betriebsrat unterrichtet und ein Sozialplan verhandelt. In dieser Phase waren alle Beteiligten noch zu Stillschweigen verpflichtet und unterschrieben eine entsprechende Erklärung.

Den Auftakt des offiziellen Kündigungs- und Trennungsprozesses bildete ein zweistündiges Meeting mit der Führungsmannschaft des Maschinenbauers. In ihm informierte der geschäftsführende Gesellschafter die Führungskräfte über das Programm zum Personalabbau und erläuterte ihnen den geplanten Ablauf. Außerdem erstellte er mit ihnen unterstützt von den externen Beratern eine Planung zum weiteren Vorgehen. Sie enthielt auch erste Absprachen darüber, wer, wann, mit wem, welche Gespräche wie führt.

Alle Betroffenen und ihre Vorgesetzten unterstützen

Circa eine Woche später informierte der geschäftsführende Gesellschafter alle Mitarbeiter auf einer Betriebsversammlung über den geplanten Personalabbau. Zudem teilte er ihnen mit, dass die Führungskräfte in den nächsten Tagen auf die Mitarbeiter zukommen würden, um persönliche Gespräche mit ihnen zu führen. In der Versammlung wurden der Belegschaft auch Thomas Fischer und zwei weitere K&P-Berater vorgestellt, die die Betroffenen im weiteren Prozess begleiten und unterstützen sollten.

Zwei Tage nach der Betriebsversammlung wurden die Führungskräfte, die die Mitarbeitergespräche führen sollten, in einem halbtägigen Training auf diese Aufgabe vorbereitet. Danach führten die Führungskräfte die entsprechenden Gespräche

  • mit den Mitarbeitern, die das Unternehmen auf alle Fälle als Arbeitnehmer behalten wollte, und
  • mit den Mitarbeitern, die es für das angebotene Freiwilligenprogramm gewinnen wollte.

Nach Ablauf einer gesetzten Frist von drei Wochen hatten zwar einige Mitarbeiter das Freiwilligenprogramm genutzt und entschieden: Wir trennen uns mit einer Abfindung im gemeinsamen Einvernehmen vom Unternehmen. Ihre Zahl genügte aber nicht, um die angestrebte Personalreduktion zu erreichen. Also starteten nun die offiziellen Kündigungsgespräche, in denen die betriebsbedingten Trennungen besprochen wurden. Diese Gespräche wurden mit den Betroffenen stets von der jeweiligen Führungskraft und dem Personalleiter geführt.

In den Gesprächen war es wichtig, die Trennungsbotschaft klar zu vermitteln und zugleich fair im Umgang zu sein. Betont wurde stets, dass die Trennung nichts mit der Person und ihrer Leistung zu tun habe, sondern betriebsbedingt sei und auf Basis einer mit dem Betriebsrat verhandelten Sozialauswahl stattfinde. Zudem artikulierten die Führungskraft und der Personalleiter in dem Gespräch ihr Mitgefühl und sagten dem Betroffenen ihre Unterstützung beim Aufbau einer möglichen beruflichen Alternative zu.

Parallel zu diesen Gesprächen wurde ein weiterer Workshop für die Führungskräfte angeboten. Er sollte ihnen ermöglichen, ihre Erfahrungen auszutauschen und das Erlebte aufzuarbeiten. Dabei zeigte sich: Den meisten Führungskräften fällt es schwer, in den Kündigungs- und Trennungsgesprächen konsequent zu bleiben, insbesondere aufgrund der emotionalen Bande, die sie in der zum Teil jahrzehntelangen Zusammenarbeit mit den Betroffenen entwickelt haben.

Eine neue Perspektive als Betroffener entwickeln

Alle gekündigten Mitarbeiter entschieden sich: Wir nehmen an dem vom Unternehmen angebotenen Newplacement-Prozess teil. Also trafen sich Thomas Fischer und die beiden anderen K&P-Berater mit ihnen, um mit ihnen mögliche neue berufliche persönliche Perspektiven zu erarbeiten. In den Gesprächen vermittelte Fischer ihnen auch: „Ihr seid keine Berufseinsteiger. Ihr habt alle jahrelange Berufserfahrung. Deshalb könnt ihr in Unternehmen wichtiges Know-how einbringen.“

Anschließend fanden für alle Gekündigten in Kleingruppen Bewerbertrainings statt. In ihnen entwickelten sie für sich eine berufliche Perspektive:

  • Suche ich mir eine neue Stelle, gehe ich in den vorgezogenen Ruhestand oder mache ich mich selbstständig?
  • Steige ich beruflich gleich wieder voll ein oder nutze ich die Situation, um mich weiterzubilden?

In den Trainings ermittelten die Teilnehmer auch, welche „Stärken“ sie als Bewerber in die Waagschale werfen können. Außerdem analysierten sie, bei welchen Unternehmen Bewerbungen Erfolg versprechend wären. Danach erstellten sie ihre Bewerberprofile und -mappen.

Gekündigte Mitarbeiter unterschätzen oft ihre Kompetenz

Nach den Trainings traf sich ein K&P-Berater mit jedem Stellensuchenden, um dessen Bewerbungsmappe und -strategie den letzten Schliff zu geben. Dies war nötig, weil sich die meisten Teilnehmer seit Jahren nicht mehr beworben hatten. Entsprechend unsicher waren sie oft bezüglich des Vorgehens. Zudem waren ihnen häufig Fähigkeiten nicht bewusst, die ihnen Pluspunkte bringen, sofern sie sich beim richtigen Unternehmen bewerben. Fischer nennt hierfür ein Beispiel: „Ein Unternehmen mit 250 Mitarbeitern hat eine andere Arbeitsstruktur und -kultur als ein Konzern. Hier müssen die Mitarbeiter oft improvisieren und haben ein breiteres Aufgabenfeld.“ In einem solchen Umfeld erfolgreich gearbeitet zu haben, kann beim Bewerben ein Plus sein.

So vorbereitet bewarben sich die gekündigten Mitarbeiter. Durch dieses gezielte Vorgehen hatten 30 der 50 entlassenen Mitarbeiter schon kurze Zeit nach den Bewerbungstrainings wieder eine neue Stelle. Fünf weitere hatten entschieden, sich selbstständig zu machen. Also hatte nur noch jeder Dritte entlassene Mitarbeiter keine neue berufliche Perspektive.

Das Vertrauen der „Survivor“ nicht verlieren

Unter anderem über diese Entwicklung informierte der Geschäftsführer des Produktionsunternehmens im Oktober 2019 die verbliebenen Mitarbeiter, die sogenannten „Survivor“, in einer Kick-Off-Veranstaltung, die die Phase des Neustarts in dem gesundgeschrumpften Unternehmen einläutete. Dies stärkte die Identifikation der verbliebenen Mitarbeiter mit ihrem Arbeitgeber, weil sie spürten: Das Schicksal unserer Ex-Kollegen – und damit sicher auch unseres – ist unseren Chefs nicht egal.

Ein solches Signal an die „Survivor“ zu senden, ist wichtig. Nicht nur, weil dies ein Ausdruck der Wertschätzung für die Ex-Mitarbeiter ist. Hinzu kommt: Die verbleibenden Mitarbeiter beobachten und registrieren sehr genau, wie der Betrieb mit ihren bisherigen Kollegen umgeht. Hieraus leiten sie wiederum ab, welches „Schicksal“ ihnen künftig eventuell droht. Deshalb führt ein Personalabbau- und Trennungsprozess, der von ihnen als nicht fair empfunden wird, oft zu einem nachhaltigen Vertrauensverlust bei den verbleibenden Mitarbeitern.

Autor: Lukas Leist


Checkliste Personalabbau-Projekt

Phase 1: Vorbereitungsphase

(Dauer je nach Vorplanung 1 bis 3 Monate)

Prüfung aller gesetzlichen, tariflichen und betrieblichen Instrumente zur Personalanpassung ohne Entlassungen:

  1. Konjunkturelles Kurzarbeitergeld
  2. Förderung der beruflichen Weiterbildung
  3. Tarifliche und betriebliche Regelungen wie
    • Altersteilzeit
    • Teilzeitarbeit
    • Jahresarbeitszeitkonten zur Arbeitszeitflexibilisierung
    • Interne Versetzungen
    • „Sabbaticals“

Phase 2: Unterrichtungs- und Verhandlungsphase

(Dauer abhängig vom Verhandlungsverlauf mit dem Betriebsrat 1 bis 3 Monate)

  • Unterrichtung der Arbeitnehmervertretung und des Wirtschaftsausschusses
  • Beratung mit deren Vertretern bei sozialplanpflichtigen Entlassungen
  • Anzeigepflicht nach §17 KüSchG
  • Erstellen eines Sozialplans

Phase 3: Umsetzungsphase
(Dauer je nach Projektdesign 5 bis 12 Monate)

Vermittlung in neue Beschäftigungsverhältnisse (Newplacement)

  1. Informieren aller Mitarbeiter
    • über den Ablauf der geplanten Maßnahmen
    • über die am Prozess beteiligten Personen
    • über Erfolgsquoten und Erfahrungen aus ähnlichen Projekten

Ziel: Vertrauensbildung zwischen den betroffenen Mitarbeitern und den am Prozess beteiligten Beratern

  1. Umsetzung der Trennungen
  • Gesprächsführungstraining für die Führungskräfte
  • Gespräche mit Mitarbeitern, die man halten möchte
  • Umsetzung eines Freiwilligenprogramms
  • Durchführen der Trennungsgespräche
  1. Training und Beratung für die ausscheidenden Mitarbeiter
  • Bewerbertraining in Gruppen
  • Einzelberatung

Ziele: Vorbereiten auf den Bewerbungsprozess,

Erarbeituen professioneller Bewerbungsunterlagen,

Vorbereiten auf Bewerbungsverfahren und Vorstellungsgespräche,

Erschließen beruflicher Alternativen (z. B. Selbständigkeit)

  1. Vermittlung in neue Arbeit
  • Eventuell Vermittlung von Kontakten zu externen Unternehmen
  • Bewerbungscoaching nach Bedarf

Ziel: möglichst hohe Vermittlungsquote in adäquate Anschlussbeschäftigungen der gekündigten Mitarbeiter

 
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