
„Wir sitzen alle im selben Boot.“ Das suggerieren Unternehmen oft ihren Mitarbeitern. Doch diese „Wir-Ideologie“ platzt meist schnell, wenn es im Betriebsalltag – wie im Gefolge der Corona-Krise – mal etwas rauer zugeht.
„Wir sind …“ „Wir machen …“ „Wir wollen …“ Solche Sätze prägen die firmeninterne Kommunikation in vielen Unternehmen. Und auch ihre Führungskräfte appellieren im Gespräch mit den Mitarbeitern oft an das kollektive WIR – gerade so, als hätten alle Stakeholder identische Interessen.
Doch dann sinken zum Beispiel die Erträge. Oder das Unternehmen muss sich aufgrund nötiger Umstrukturierungen sogar von Mitarbeitern trennen. Dann entpuppt sich das kollektive WIR meist schnell als ideologische „Seifenblase“, die platzt, wenn die Sonne nicht mehr scheint.
Unternehmen sind Zweckgemeinschaften
Spätestens dann wird jedem klar: Unternehmen sind keine Großfamilien, in denen alle gemeinsam durch dick und dünn gehen. Unternehmen sind vielmehr Zweckgemeinschaften, in denen sich Personen mit unterschiedlichen Interessen zeitweise zusammenschließen, um wechselseitig voneinander zu profitieren. Und wenn Beteiligte aus der Zusammenarbeit keinen Nutzen mehr ziehen? Dann trennen sich die Wege wieder.
Für die meisten Mitarbeiter ist diese Erkenntnis nicht neu. Sie erachten den Appell an das kollektive WIR ohnehin als Führungsrhetorik. Und die glatt gebürsteten Mitarbeiterpostillen entlocken ihnen nur ein müdes Gähnen. Für manche Mitarbeiter ist das Wegbrechen des Sozialkitts aber eine Desillusionierung. Sie fühlen sich verraten und verkauft. Also gehen sie innerlich auf Distanz zu ihrem Arbeitgeber, was auch ihre künftige Arbeitshaltung prägt.
Tragfähige Kompromisse erarbeiten
Deshalb sollten Führungskräfte gerade in Krisen- und Marktumbruchzeiten möglichst selten an das kollektive WIR appellieren. Statt diese verschleiernde Führungsrhetorik zu gebrauchen, sollten sie mit ihren Mitarbeitern herausarbeiten:
- Welche gemeinsamen Interessen haben wir und wo divergieren diese? Und:
- Welche Interessen lassen sich (nur) unter bestimmten Voraussetzungen unter einen Hut bringen?
Denn dann können sie leichter ein solides Fundament für eine Zusammenarbeit legen, die auch in schwierigen Zeiten trägt.
Über den Autor: 
Prof. Dr. Georg Kraus ist geschäftsführender Gesellschafter der Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal. Er ist u.a. Lehrbeauftragter an der Universität Karlsruhe, der IAE in Aix-en-provence, der St. Gallener Business-School und der technischen Universität Clausthal.