
Eine neue Form der (Zusammen-)Arbeit in Unternehmen zu etablieren, ist ein Change-Prozess, der außer der Struktur-, auch die Kulturebene umfasst. Das zeigen unter anderem die Erfahrungen aus der Corona-Pandemie.
„Wie wollen wir künftig in unserem Unternehmen (zusammen-)arbeiten?“ Mit dieser Frage beschäftigten sich Personalverantwortliche schon vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie. Eine zentrale Ursache hierfür war die Erkenntnis, dass die bereits vorhandenen – sowie künftigen – jungen Mitarbeiter aus den Generationen X, Y und Z oft anders „ticken“ als die älteren. Sie wollen mit ihrer Erwerbstätigkeit zwar auch ihren Lebensunterhalt verdienen, doch ein „gutes Gehalt“ allein genügt ihnen nicht. Sie wollen zudem eine „sinnvolle“ Arbeit verrichten, bei der sie sich verwirklichen können. Und bei allem Engagement im Job, legen sie mehr Wert auf ihre Work-Life-Balance als vorherige Generationen.
Die Unternehmen befassten sich mit dem Thema „New Work“ also primär aus Personalmarketing-Gründen. Entsprechend stark kokettierten sie in ihrer Außendarstellung mit solchen „Nice-to-have-Faktoren“ wie einem Billardtisch, flexiblen Arbeitszeitmodellen sowie der Möglichkeit, auch mal eine Auszeit zu nehmen. Bezogen auf die Arbeitsorganisation und -gestaltung im Arbeitsalltag änderte sich indes meist wenig.
Corona hat die Sichtweise verändert
Doch dann kam Corona, und spätestens nach dem Lockdown im Frühling 2020 mussten die Unternehmen viele Prozesse neu gestalten. Und plötzlich waren Dinge möglich, die in der New-Work-Diskussion zwar oft angedacht, aber im Betriebsalltag selten realisiert worden waren. So zum Beispiel, dass
- ein großer Teil der Mitarbeiter seine Arbeitszeit (weitgehend) zuhause im Homeoffice verbringt,
- die Homeworker ihre Arbeit auch außerhalb der gewohnten Bürozeiten verrichten (weil sie ihre Kinder oder betagten Eltern betreuen mussten),
- die Zusammenarbeit über Kollaborationstools wie Microsoft-Teams organisiert wird,
- die erforderliche Kommunikation mit Kollegen, Kunden, aber auch externen Dienstleistern weitgehend digital erfolgt und
- solche Fördermassnahmen wie Trainings und Coachings, aber auch Feedbackgespräche statt bei persönlichen Treffen in Online-Sessions stattfinden.
Und siehe da: Es funktionierte irgendwie – zumindest, wenn die technische Infrastruktur stimmte und man sich mental darauf einließ.
Eine weitere Erkenntnis war: In der von einer sinkenden Planbarkeit geprägten modernen, digitalen Welt genügt es nicht, wie zuvor oft gedacht, die Leistungserbringungsprozesse flexibler bzw. agiler zu gestalten. Vielmehr müssen die Unternehmenswerte und die Arbeitsorganisation viel grundsätzlicher hinterfragt werden, um als Unternehmen „zukunftsfit“ zu sein.
Hinzu kommt: Der „Geist“, der corona-bedingt aus der Flasche kam, lässt sich nicht mehr in ihr verschliessen. Insofern liegt in der Corona-Krise auch eine Chance, weil sich in ihr die Motive für die Beschäftigung mit dem Thema New Work gewandelt haben. Zudem haben sich die Rahmenbedingungen hierfür geändert.
Weniger „Kosmetik“, mehr reale Veränderung
Inwieweit die Unternehmen nach dem Abklingen der Pandemie diese Chance real ergreifen oder wieder – soweit möglich – zum „Business as usual“ zurückkehren, ist noch ungewiss, denn wenn es um eine reale Kulturveränderung geht, wird es meist schwierig. Aus vielerlei Gründen.
Zum einen ist der Begriff New Work nicht eindeutig definiert. Zwar werden im Gefolge des Sozialphilosophen Frithjof Bergman, der den Begriff in den 1990er Jahren prägte, oft Vokabeln wie Freiheit und Teilhabe an der Gemeinschaft genannt (siehe Kasten 1), doch konkretisiert und operationalisiert werden diese Forderungen eher selten – auch weil die Ziele und Erwartungen an New Work zwischen der Unternehmensführung und den Mitarbeitern meist divergieren (siehe Kasten 2).
Beim Neugestalten der (Zusammen-)Arbeit divergieren aber oft auch die Interessen der Mitarbeiter. Während einige zum Beispiel das Homeoffice begrüßen und hierauf auch künftig nicht verzichten möchten, sehnen sich andere nach der „guten alten Zeit“ im Betrieb zurück. Ähnlich verhält es sich, wenn es um Themen wie Digitalisierung, Arbeitszeitregelung, Entlohnung, Eigenverantwortlichkeit usw. geht. Folglich sind Konflikte in der Belegschaft vorprogrammiert
„New Work Pioneers“ in der Organisation etablieren
Deshalb bedarf es, um ein solche Change-Projekte zu meistern, in den Unternehmen bereichsübergreifend Personen,
- die sich mit den Projektzielen voll identifizieren,
- die den hiermit verbundenen firmeninternen Meinungsbildungs- und Entscheidungsfindungsprozess der Betroffenen begleiten,
- die diese beim Bewältigung der nötigen Veränderungen unterstützen und
- die als Resonanzboden der Interessen und Wünsche, Ängste und Befürchtungen der Mitarbeiter gegenüber der Unternehmensleitung dienen.
Solche „New Work Pioneers“ sorgen dafür, dass das sogenannte Employee Voice in die Planung und den Umsetzungsprozess einfließt. Sie achten zudem darauf, dass die einzelnen Bereiche im Unternehmen nicht bezüglich ihrer Kultur und Arbeitsweise auseinander driften, sondern die Veränderungen sich an den gemeinsamen, übergeordneten Werten und Zielen orientieren und entsprechend nachhaltig sind.
Zu den Autoren:
Die Autoren Max Leichner und Caroline Zielke arbeiten als Management- und Changeberater für die Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner. Diese bietet eine berufsbegleitende New Work Pioneer Ausbildung an, in der Max Leichner und Caroline Zielke als Lead-Trainer fungieren.
Zentrale Elemente von New Work
In der Literatur beschriebene Elemente von New-Work-Konzepten für Unternehmen:
- Teilhabe (Selbstbestimmung): Die Mitarbeitenden werden in die Strategieentwicklung einbezogen. Sie definieren selbst ihre Leistungs- sowie Lern- und Entwicklungsziele. Auch ihre Arbeitszeit sowie ihren Arbeitsort bestimmen sie weitgehend selbst.
- Führung: Anstelle von top-down ist sie modern und flexibel. Die Führungsrolle im Team wird aufgaben- und situationsabhängig mal von dieser, mal von jener Person wahrgenommen. Die starre Unterscheidung zwischen Fach- und Führungslaufbahn entfällt.
- Agilität: Die Hierarchiestufen werden minimiert und die Entscheidungsbefugnisse soweit möglich auf die operative Ebene verlagert, so dass die Prozesse beschleunigt werden.
- Flexibilität: Die Leistung wird an unterschiedlichen Arbeitsorten erbracht – zum Beispiel auch im Homeoffice. Entsprechend flexibel sind auch die Arbeitszeiten. Eine Job-Rotation sowie ein regelmäßiger Wechsel der Aufgaben ermöglichen zudem eine fachliche und persönliche Weiterentwicklung.
- Arbeitsumfeld: Neue Bürokonzepte wie moderne Work-Spaces sowie Kollaborationstools ermöglichen es den Mitarbeitenden nicht nur mit Kollegen, sondern auch externen Spezialisten (in virtuellen Teams) kreativ und produktiv zusammenzuarbeiten.
Was Unternehmen konkret unter „New Work“ verstehen, gilt es im Dialog mit den Mitarbeitenden individuell zu definieren. Dabei sind die grundlegenden Werte und die kulturellen Aspekte der neuen (Zusammen-)Arbeit zu beachten.
Mit dem Begriff New Work verbundene Entwicklungsziele
- Mitarbeiterzufriedenheit und -motivation erhöhen
- den Mitarbeitenden Verantwortung übertragen
- schlummerndes Potenzial in der Zusammenarbeit erkennen und nutzen
- digitale Transformation des Unternehmens
- Prozesseffizienz erhöhen
- „Silo-Denken“ überwinden: cross-funktionale und bereichsübergreifende Kooperation verbessern
- Erhöhen von Agilität und Flexibilität im Unternehmen
- unternehmerisches Denken und Handeln der Mitarbeitenden fördern
- Employer Brand stärken
Welche Ziele sie mit ihren New-Work-Initiativen verfolgen müssen Unternehmen vorab definieren und kommunizieren.