
Der technische Forstschritt beschleunigt nicht nur unser Leben und unsere Arbeit, sondern auch unser Lernverhalten bzw. unsere Lernanlässe und –bedürfnisse maßgeblich. In Zukunft haben sich Bildungsverantwortliche diesen neuen Herausforderungen zu stellen. Aber Achtung: Diese Zukunft hat bereits begonnen! Es ist deshalb höchste Zeit, sich mit den Lernsystemen der Zukunft auseinanderzusetzen und daraus die neuen Anforderungen an die aktuellen innerbetrieblichen Lernkonzeptionen abzuleiten und zeitgemäße Personalentwicklungsmaßnahmen zu setzen.
Konkurrenzfähige, leistungsstarke Unternehmen verfügen über kompetente Köpfe!
Der wichtigste Wettbewerbsvorteil entsteht, wenn MitarbeiterInnen befähigt werden, die stetig steigenden und komplexer werdenden Herausforderungen des beruflichen Alltags selbstorganisiert, kreativ und blitzschnell zu bewältigen, also kompetent zu handeln. Die daraus resultierenden stetig ansteigenden Anforderungen an die betriebliche Bildung fordern zeitgemäße, rasch umzusetzende und direkt am Bedarf ausgerichtete Lernkonzeptionen. Dieses „Just in Time-Prinzip“, das ursprünglich aus dem Produktionsbereich kommt, erfährt auf Grund der Schnelllebigkeit unserer Zeit auch in der Personalarbeit immer mehr an Aufmerksamkeit. Arbeiten und Lernen wachsen immer mehr zusammen. Kompetenzentwicklung im Prozess der Arbeit und im Netz gewinnen an Bedeutung.
Vom „Bulimielernen“ und dem Tal des Vergessens…
Wer von den aktuell Erwerbstätigen ist nicht durch eine Schule mit fest vorgegebenen Lernzielen, darauf basierenden Wissenstests und anschließend durch das Tal des Vergessens gegangen? Abgesehen von den enormen Anstrengungen beim Lernen selbst, der Anspannung und dem Stress vor und während der Prüfungssituation, war es den Eltern schwer zu glauben, dass man fürs Leben und nicht für die Schule, die/den LehrerIn oder für ein gutes Zeugnis lernt. Kaum etwas von dem mühevoll angeeigneten Wissen fand im Leben direkte Anwendungsmöglichkeit. Lernen auf Vorrat oder „Bulimielernen“ wie es auch genannt wird, führt/führte viele zu der Einstellung „Ich will nie wieder lernen!“. Diese Einstellung ist zum Teil ziemlich präsent bei den gegenwärtig Beschäftigten und stellt eine klassische Lernblockade dar. Daneben sind die herkömmlichen Lernkonzeptionen, die in erster Linie formelles Lernen beabsichtigen, bei LernarchitektInnen, BildungsmanagerInnen oder PersonalentwicklerInnen zum Teil noch fest verankert. Oft wird die dieses Muster in betrieblichen Lernkonzeptionen weitergeführt – in Form von Lehrgängen, Seminaren und Trainings mit recht allgemeinen Curricula – also Bildungsangeboten von der Stange.
Verantwortung der persönlichen Entwicklung liegt beim Lerner selbst.
Um individuelle kompetenzorientierte Lernziele, die der Erreichung der Unternehmensziele dienlich sein sollen, zu erreichen, bedarf es an spezifischen Bildungsmaßnahmen. Um diese möglichst effektiv und effizient zu gestalten ist es erforderlich, diese direkt am Puls der aktuellen beruflichen Herausforderungen – der täglichen Arbeit anzusiedeln. Coaching als innovatives Personalentwicklungstool kann einen wesentlichen Beitrag bei der Entdeckung, Förderung und Aktivierung von Potentialen leisten und als individuelle Lernbegleitungsmaßnahme eingesetzt werden. Das Lernen und die Kompetenzentwicklung an sich hat die/der MitarbeiterIn, im Gegensatz zu den aus der Schule bekannten fremdgesteuerten Lernprozessen, selbstgesteuert und selbstorganisiert umzusetzen. Die Verantwortung für den Lernerfolg wird auf die Lernenden übertragen, was einen nicht unwichtigen Umdenkprozess bei Bildungsverantwortlichen und LernerInnen bzw. MitarbeiterInnen mit sich bringt.
Coaching als innovative Personalentwicklungsmaßnahme.
Subsumiert man dem Begriff Coaching die Auflösung von Wahrnehmungsblockaden oder die Initierung von Selbstorganisationsprozessen im Hinblick auf ein bestehendes Entwicklungs- oder Lernziel sowie aktuelle Herausforderungen aus der Praxis, so macht der Einsatz von Coaching im Bereich der betrieblichen Bildung mehr als Sinn. Der Einsatz von Coaching als ergänzendes bzw. begleitendes Personalentwicklungstool gliedert sich in drei Phasen:
- Vorbereitungsphase:
- Erkennen relevanter Lernfelder und Klärung individuellen Ausrichtungen
- Definition von Lern- bzw. Kompetenzzielen
- Schaffung von Voraussetzungen
- Phase des aktiven Lernens:
- Findung des persönlichen Lernrhythmus
- Aufdeckung von Lernblockaden
- Stärkung von Selbstorganisation und –motivation
- Reflexion von Lernfortschritten
- Lerntransferphase:
- Begleitung des Lerntransfers
- Reflexion des Praxiseinsatzes
Die Lerntransferphase, also die Phase in der die angeeigneten Kompetenzen im beruflichen Alltag zur Anwendung kommen und in die Alltagsroutine integriert werden sollen, wird leider sehr oft vernachlässigt. Im optimalen Fall werden alle drei Phasen durch einen Coachingprozess begleitet, der auf Kompetenzentwicklung bzw. erweiterte Handlungsmöglichkeiten der MitarbeiterInnen ausgerichtet ist und als stetiger Kreislauf gelebt wird.
SOCIAL WORKPLACE LEARNING.
Nun wenden Sie vermutlich und berechtigter Weise ein, dass sie doch nicht jeder/n MitarbeiterIn einen eigenen Coach zur Verfügung stellen können. In der Tat wäre das kostentechnisch für kaum ein Unternehmen tragbar. Abgesehen davon werden die Schlagworte: SCHNELL, EFFEKTIV, KOSTENGÜNSTIG auch in der Personalentwicklung immer wichtiger. Wo die einen in diesem Bereich noch ihr innerbetriebliches Sparpaket schnüren und unflexibel sind, haben andere längst erkannt, dass hier der Schlüssel für Innovation und Wettbewerbsfähigkeit liegt. Social Workplace Learning – die wirtschaftlichste und effizienteste Methode der Kompetenzentwicklung, legt seinen Fokus auf Lernfelder aus der täglichen Praxis, auf Berücksichtigung und Initiierung informeller Lernprozesse sowie auf kollaboratives Lernen und Feedbackschleifen. Genau dieser soziale Aspekt – die gemeinsame Weiterentwicklung, das mit- und voneinander Lernen sowie die daraus resultierende Verbindlichmachung von Lernzielen und –fortschritten sind der Schlüssel für betriebliche Kompetenzentwicklung, was in meinem Fachbuch „Betriebliche Kompetenzentwicklung durch informelle Lernprozesse“ Bestätigung findet. Prof. Dr. Werner Sauter, Experte für innovative Lernsysteme und Kompetenzentwicklung, empfiehlt auf Basis seiner zahlreichen Projekterfahrungen und wissenschaftlichen Publikationen den Einsatz von Co-Coaching als Lernbegleitungsprozess im Rahmen von Social Workplace Learning.
Co-Coaching.
Dabei handelt es sich um eine besondere Form des Coachings, nämlich einer Entwicklungspartnerschaft zwischen Lernenden. Die LernpartnerInnen haben die Aufgabe, sich im Prozess des Lernens wechselseitig zu unterstützen. Dieser Prozess wird allerdings nicht von Wissen, sondern in erster Linie von Reflexion, Wertung und Handlung vorangetrieben. Co-Coaching macht vor allem bei LernpartnerInnen mit ähnlichen Funktionen aus unterschiedlichen Bereichen Sinn, da hier ein objektiverer Austausch auf Augenhöhe möglich ist, als bei direkten KollegInnen oder Vorgesetzten. Das Prinzip Co-Coaching ist nicht nur eine zeitgemäße und kostengünstige innovative Personalentwicklungsmaßnahme, sondern durch den herrschenden Verbindlichkeitscharakter ein wesentliches Erfolgskriterium für den Einsatz von Social Workplace Learning.
Literaturhinweise:
Sauter, Werner / Sauter, Simon (2013): Workplace Learning. Integrierte Kompetenzentwicklung mit kooperativen und kollaborativen Lernsystemen. Berlin, Heidelberg
Scholz, Christiana (2014): Betriebliche Kompetenzentwicklung durch informelle Lernprozesse. Am Beispiel ausgewählter webbasierter Wissensmanagement-Tools. Saarbrücken
Über die Autorin:
Christiana Scholz
Die Autorin ist Unternehmensberaterin und Senior Partnerin der Capitulum OG sowie Konzeptions- und Vertriebspartnerin der Blended Solutions GmbH. Als Expertin für innovative betriebliche Lernprozesse liegt Ihr Tätigkeitsschwerpunkt auf zukunftsweisender Personalentwicklung. Sie beschäftigt sich wissenschaftlich mit dem Thema Kompetenzentwicklung und bringt dieses Know-how in ihre Arbeit als Consultant, Trainerin und Coach ein.