

Viele Unternehmen stellen aktuell ihre Personalkonzepte auf den Prüfstand – jedoch nicht wegen der sogenannten „Generation Y“, die angeblich alles in Frage stellt. Entscheidender ist: Der Arbeitsmarkt und die Betriebe selbst haben sich gewandelt.
Viele Personalverantwortliche sind aktuell verunsichert – jedoch nicht, weil mit der Generation Y oder Why ein neuer Typ Mitarbeiter in die Betriebe drängt, der Medienberichten zufolge alles in Frage stellt: „Job, Gehalt und Aufstieg“. Die Ursachen hierfür liegen tiefer. Einige seien genannt:
- Gute Bewerber sind rar. Die Wirtschaft in Deutschland, Österreich und der Schweiz läuft wie geschmiert. Und auf dem Arbeitsmarkt herrscht nahezu Vollbeschäftigung. Gute Fach- und Führungskräfte sind deshalb rar. Entsprechend selbstbewusst können hoch qualifizierte Bewerber bei der Stellensuche agieren, weil sie meist mehrere Optionen haben. Also müssen die Unternehmen um die begehrten, weil raren Arbeitskräfte aktiv werben.
- Die Bevölkerung vergreist. Nicht nur die Bevölkerung ergraut, auch die Belegschaften vieler Betriebe weisen einen hohen Anteil älterer Arbeitsnehmer auf. Entsprechend viele junge Mitarbeiter müssen sie in den kommenden Jahren für sich gewinnen, um die Abgänge durch Verrentungen zu kompensieren. Das fällt Unternehmen in einem Umfeld, in dem qualifizierte Arbeitnehmer ohnehin rar sind, schwer. Deshalb müssen sie eine vorausschauende Personalpolitik betreiben und ihr Aus- und Weiterbildungsengagement erhöhen.
- Das Bildungsniveau steigt. In den zurückliegenden Jahrzehnten stieg das Bildungsniveau der (Hoch-)Schulabsolventen. Das kommt dem Bedarf der Unternehmen entgegen. Zugleich haben die höher qualifizierten Mitarbeiter aber höhere Erwartungen an ihre Arbeitgeber. Also müssen die Unternehmen verstärkt darüber nachdenken, wie sie gut qualifizierten Mitarbeitern eine Entwicklungsperspektive jenseits der Führungslaufbahn bieten können.
- Die Zahl der jungen Erben steigt. Viele gutqualifizierte Hochschulabgänger haben ein betuchtes Elternhaus. Deshalb ist absehbar, dass sie irgendwann ein größeres Vermögen erben. Also entfällt für manchen jungen Arbeitnehmer die Triebfeder Vermögensaufbau – sei es um sozial aufzusteigen oder fürs Alter vorzusorgen. Deshalb müssen die Betriebe sich überlegen: Wie können wir hochqualifizierte Mitarbeiter motivieren, deren Existenz (in absehbarer Zeit) auch ohne Job (bei uns) gesichert ist?
- Die sozialen Einheiten werden immer kleiner. Heute dominieren zumindest in den städtischen Ballungsräumen bereits die Single-Haushalte. Und die verbliebenen Familien? Sie sind oft Patchwork-Familien mit einem oder zwei Kindern. Und die Großeltern, auf die man sich früher im Bedarfsfall stützen konnte? Zum Beispiel, wenn der Lebenspartner oder ein Kind erkrankte. Sie wohnen oft Hunderte von Kilometern entfernt. Deshalb fehlen vielen Arbeitnehmern heute gewachsene, soziale Stützsysteme, die sie bei Bedarf (emotional) tragen. Daraus resultiert die Herausforderung für Unternehmen: Sie müssen mit ihrer Personalpolitik auf die veränderte Lebensrealität ihrer Mitarbeiter reagieren; zum Beispiel, indem sie ihnen ein noch flexibleres Arbeiten ermöglichen.
Neben diesen gesellschaftlichen Veränderungen gibt es mikro- und makroökonomische, die die Personalstrategien vieler Betriebe in Frage stellen.
- Die Unternehmen sind netzwerkartiger als früher strukturiert. In den tayloristisch organisierten Betrieben der Vergangenheit hatte jeder Mitarbeiter seine in einer Stellenbeschreibung klar definierten Aufgaben. Heute hingegen sollen die Mitarbeiter meist in Teams die ihnen übertragenen Aufgaben lösen – und zwar weitgehend eigenständig. Deshalb fordern sie zu Recht mehr Information und Partizipation. Also müssen die Unternehmen ihre tradierten Führungsmodelle überdenken, weil sie oft mit dem Arbeitsalltag ihrer Mitarbeiter kollidieren.
- Die Beziehung Arbeitgeber-Arbeitnehmer wird eine Kooperation auf Zeit. Heute können die Betriebe ihren Mitarbeitern keine lebenslangen Beschäftigungsgarantien mehr geben. Die Zusammenarbeit wird zunehmend zur Zusammenarbeit auf Zeit. Das wissen auch die Mitarbeiter. Deshalb binden sie sich emotional nicht mehr so stark an ihre Arbeitgeber. Also müssen sich die Betriebe fragen: Wie stellen wir eine Identifikation mit dem Unternehmen sicher, selbst wenn die Zusammenarbeit wahrscheinlich eine Kooperation auf Zeit ist?
- Die Arbeits- und Qualifikationsanforderungen wandeln sich schneller. Aufgrund des sich rasch wandelnden Unternehmensumfelds wandeln sich auch die Anforderungen an die Mitarbeiter schnell. Deshalb erwarten sie von ihren Arbeitgebern eine aktivere Unterstützung beim Weiterentwickeln ihrer Kompetenz, damit sie auch morgen noch begehrte Arbeitnehmer sind. Deshalb müssen die Unternehmen ihre Personalentwicklungskonzepte so gestalten, dass jeder Mitarbeiter die Unterstützung erfährt, die er – als Individuum – zum Erhalt seiner beruflichen Kompetenz und zum Wahrnehmen seiner (künftigen) Aufgaben braucht.
- Die „Siemens-“ oder „Opel-Familie“ gibt es nicht mehr. In den zurückliegenden Jahrzehnten sourcten viele Großunternehmen Bereiche aus oder wandelten diese in Tochtergesellschaften um, in denen meist andere Tarifverträge als bei der „Mutter“ gelten. Sie ersetzten zudem oft Teile der Stammbelegschaft durch Leih- und Zeitarbeiter. Das registrierten (und spürten) auch die Mitarbeiter, weshalb das tradierte Gefühl „Wir sind eine Familie“ zerbrach. Also müssen sich die Unternehmen fragen: Wie können wir das Gemeinschaftsgefühl bewahren, obwohl unsere Mitarbeiter faktisch für verschiedene Unternehmen arbeiten, die oft unterschiedliche Personalstrategien haben?
Sich mit diesen Veränderungen zu befassen, ist für Personalverantwortliche zielführender als sich mit der Generation Y oder Why zu beschäftigen – denn diese ist nur eine Schimäre am Medienhorizont.