ChatGPT hilft Führungskräften beim Beantworten von Zukunftsfragen. Doch wie identifiziert man mit dem KI-Tool mögliche KI-Anwendungen im Betrieb? Der Innovationsexperte Dr. Jens-Uwe Meyer hat hierfür 10 Templates entwickelt.
Für die künstliche Intelligenz bzw. KI-Tools gibt es viel potenzielle Anwendungsfelder in Unternehmen. Doch wie identifiziert man die lukrativen und effektiven? Hierfür bedarf es eines systematischen Vorgehens, das die Gedanken bzw. das Brainstorming in eine zielführende Richtung lenkt.
Deshalb habe ich zehn KI-Templates entwickelt, die Sie für die Suche nach erfolgversprechenden KI-Anwendungen nutzen können – sei es
- analog, indem Sie sich die betreffenden Fragen selbst oder im Kollegenkreis stellen, oder
- digital, indem Sie diese zum Beispiel bei ChatGPT oder Copilot eingeben und sich von dem KI-Tool Vorschläge unterbreiten lassen.
Jedes Template besteht aus einer Frage, die Sie jeweils bezogen auf Ihre Organisation, Ihre Zielgruppe, Ihren Anwendungsfall, Ihre Ziele usw. spezifizieren müssen.
Das Fehlertemplate
Künstliche Intelligenz kann Fehler aufspüren – zum Beispiel, indem sie mit optischen Sensoren Prozesse und Datenströme überwacht. Bei einer Soll-Ist-Abweichung schlägt das KI-System Alarm. So hilft es Unternehmen, Schwachstellen beispielweise in der Fertigung, Lagerhaltung oder Kundenbetreuung zu erkennen und zu beheben, bevor aus ihnen große Probleme resultieren. Durch das Verwenden des Fehlertemplates wird der Prozess des Identifizierens solcher Anwendungsfälle effizienter. Sie sparen wertvolle Zeit, die Sie ansonsten für das Sammeln von Daten und Analysieren von Prozessen benötigen würden.
Das Prognosetemplate
Künstliche Intelligenz kann auf der Basis von Musteranalysen Vorhersagen treffen. Sie kann zum Beispiel prognostizieren,
- wie stark Ihre Zielkunden unter bestimmten Voraussetzungen (zum Beispiel schönes/schlechtes Wetter, staatliche Förderung ja/nein) gewisse Leistungen Ihres Unternehmens nachfragen oder
- wie wahrscheinlich eine Maschinenanlage beim Erfüllt-sein bestimmter Parameter in naher Zukunft Probleme bereitet.
Doch was nützt es Ihrem Betrieb, wenn eine KI-Lösung solche Entwicklungen bzw. Ereignisse vorhersagen kann? Das können Sie ermitteln, indem Sie in dem Prognosetemplate die beiden Elemente „was genau?“ und „was erreichen?“ konkretisieren und dies anschließend zum Beispiel ChatGPT oder Copilot fragen.
Das Beschleunigungstemplate
Viele Aufgaben, die in Unternehmen noch manuell erledigt werden, können künftig automatisiert werden. Denken Sie nur daran, wie viel Zeit Sie oder Ihre Mitarbeiter heute noch benötigen, um aus verschiedenen Quellen die Daten zusammenzutragen, die sie beispielsweise für Kostenvoranschläge, vorgeschriebene Dokumentationen usw. brauchen. Oder wie viel Zeit Ihre Service-Mitarbeiter mit dem Beantworten von Wissensfragen von Kunden verbringen.
Das Beschleunigungstemplate hilft Ihnen, Anwendungsfälle für eine Automatisierung zu identifizieren. Gehen Sie hierfür in dieses die Tätigkeiten ein, die in Ihrem Betrieb noch manuell ausgeführt werden. Zerlegen Sie hierfür den jeweiligen Prozess, in die damit verbundenen Teilaufgaben, denn: Je konkreter Ihre Angaben sind, umso besser werden die Ergebnisse.
Das Individualisierungstemplate
Heute gilt für viele Menschen – seien dies Ihre Mitarbeiter, (potenziellen) Kunden oder Geschäftspartner: Sie werden von Infos überflutet. Deshalb scannen sie diese in der Regel nur kurz und entscheiden dann, ob und wie sie darauf reagieren.
Darum gilt für fast alle Kommunikationsprozesse: Sie erreichen die Empfänger Ihrer Botschaften besser, wenn Sie die Ansprache individualisieren. Doch jede Individualisierung statt Standardisierung – sei es bei der Kundenbetreuung oder Leistungserbringung – erfordert mehr Zeit. Deshalb stellt sich für Sie die unternehmerische Frage: Wo (also zum Beispiel bei welchen Kundengruppen oder Leistungen) lohnt es sich, unsere Ansprache, Betreuung oder Leistung individueller zu gestalten? Diese Frage hilft Ihnen das Individualisierungstemplate zu beantworten.
Das Genauigkeitstemplate
Was wir tun, entscheiden wir oft intuitiv aufgrund unseres Wissens und unserer Erfahrung. Entsprechend „risikobehaftet“ bzw. „fehleranfällig“ sind zuweilen unsere Entscheidungen. Daraus erwächst für Sie als Entscheider in Ihrem Unternehmen die Frage: Gibt es Bereiche, in denen eine fundierte Analyse und Erhöhung der Genauigkeit zu besseren Ergebnissen führen würde? Zuweilen wäre ein KI-Tool, das beispielsweise bestimmte technische Daten oder Marktdaten systematisch erfasst und auswertet, gewiss hilfreich. Doch wie groß wäre der betriebswirtschaftliche Nutzen eines solchen Tools? Lohnt sich also eine entsprechende Investition? Das hilft Ihnen das Genauigkeitstemplate einzuschätzen.
Das Zufriedenheitstemplate
In jedem Unternehmen ergeben sich in der Zusammenarbeit mit Kunden, Partnern, Mitarbeitern und Lieferanten zuweilen Schwierigkeiten. Zum Beispiel, weil gewünschte Infos nicht geliefert werden können. Oder weil es zu Terminverzögerungen kommt. Oder weil Leistungen nicht den Erwartungen entsprechen. Die Folge: Die Zufriedenheit sinkt.
Das Zufriedenheitstemplate hilft Ihnen, Anwendungsfälle zu identifizieren, die dazu beitragen, die Zufriedenheit der von Ihnen adressierten „Stakeholder“ zu erhöhen – seien dies Kunden, Mitarbeiter, Lieferanten oder Kapitalgeber.
Das Entscheidungstemplate
In vielen Bereichen überlassen wir heute bereits Entscheidungen einem Algorithmus oder einer künstlichen Intelligenz. So zum Beispiel beim Autofahren. Angenommen vor Ihnen bildet sich ein Stau und das Navigationsgerät schlägt eine Ausweichroute vor. Dann wählt das Gerät aus den Möglichkeiten, den Stau zu umfahren, selbstständig die beste aus und schlägt sie Ihnen vor. Würde Ihr Auto autonom fahren, würde es sogar die Entscheidung selbst treffen.
In Unternehmen sind Entscheidungsprozesse oft langwierig. Je mehr Personen, Abteilungen usw. in den Prozess involviert sind, umso komplexer und somit aufwendiger und teurer wird dieser in der Regel. Mit dem Entscheidungstemplate können Sie Anwendungsfälle in Ihrem Betrieb identifizieren, bei denen Sie durch automatisierte Entscheidungen Zeit und Geld sparen.
Das Rentabilitätstemplate
Viele (Dienst- und Service-)Leistungen, für die sich ihre Zielkunden durchaus interessieren würden, werden von den Unternehmen heute noch nicht erbracht – zum Beispiel, weil der Personalaufwand hierfür zu groß oder die hierfür erforderliche technische Infrastruktur zu teuer wäre.
Bei einem KI-Einsatz könnte sich dies eventuell ändern. Mit dem Rentabilitätstemplate gehen Sie auf die Suche nach Leistungen und Geschäftsmodellen, die sich bislang für Ihr Unternehmen noch nicht rechneten, künftig bei einem KI-Einsatz aber eventuell lukrativ sein könnten.
Das Vereinfachungstemplate
Sind Sie schon mal an Photoshop verzweifelt? Wenn Sie zum Beispiel Objekte freistellen wollen, finden Sie im Internet Anleitungen wie diese: „Wählen Sie den Zauberstab oder die Schnellauswahl, fahren Sie einmal mit der Maus über das Objekt, damit Photoshop die Ränder des Objekts markiert. Dann können Sie das markierte Objekt mit ‚Strg + C‘ kopieren oder mit ‚Strg + X‘ ausschneiden.“ Und wie funktioniert das Ganze auf dem iPhone? Dort tippen Sie nur auf das Objekt, lassen den Finger eine halbe Sekunde auf dem Display und schon ist das Objekt ausgeschnitten, und Sie können es in ein anderes Bild einfügen oder den Bildausschnitt per Mail versenden.
Das Beispiel zeigt: Durch den KI-Einsatz können Anwendungen vereinfacht werden. Das Vereinfachungstemplate hilft Ihnen, in Ihrem Betrieb Anwendungsfälle zu ermitteln, bei denen Sie durch eine Vereinfachung neue Kunden gewinnen oder die Zufriedenheit bestehender Kunden steigern.
Das Bedürfnistemplate
Der zunehmende KI-Einsatz in ihrem Umfeld schafft bei Personen und Organisationen neue Bedürfnisse und
Erwartungen – nicht nur im Bereich Kommunikation und Information, sondern auch bezüglich Schnelligkeit, Nutzerfreundlichkeit, Effizienz usw.. Das gilt auch für Ihre (Ziel-)Kunden. Auch deren Erwartungen und Bedürfnisse ändern sich. Daraus erwachsen für Ihr Unternehmen neben Risiken auch Chancen. Also sollten Sie als Manager bzw. Unternehmer überlegen, bei welchen Kunden durch die KI neue Bedürfnisse und somit Chancen für Sie entstehen. Dabei hilft Ihnen das Bedürfnistemplate.
KI statt Brainstorming
Mit den zehn Templates können Sie den Prozess der Ideengenerierung für einen potenziellen KI-Einsatz in Ihrem Betrieb systematisieren und so strukturieren, dass die Qualität der Vorschläge steigt – unter anderem, weil Sie Ihr Denken und Handeln von Anfang an auf bestimmte Bereiche und Anwendungsfälle fokussieren.
So mancher Vorschlag, den Ihnen zum Beispiel ChatGPT unterbreitet, wird sie jedoch nicht nur verblüffen, sondern ihnen auch oberflächlich und banal erscheinen. Also bleibt es Ihre Aufgabe, die Ergebnisse zu bewerten und gegebenenfalls zu modifizieren bzw. als Grundlage für eigene Überlegungen zu nutzen. Von einem KI-Tool wie ChatGPT oder Copilot kann man vieles erwarten, Wunder jedoch nicht.
Über den Autor:
Dr. Jens-Uwe Meyer ist CEO der Innolytics AG, Leipzig, die unter anderem Ideen-, Wissens- und Qualitätsmanagement-Software entwickelt. Von dem Digitalisierungs- und Innovationsexperten erschien im Oktober 2023 das Buch „Die KI-Roadmap: Künstliche Intelligenz im Unternehmen erfolgreich einsetzen“. Der Autor von 13 Büchern zum Themenkomplex Innovation und digitale Transformation ist auch ein Vortragsredner.