Persönlichkeitstypen bei Verhandlungspartnern erkennen

Persönlichkeitstypen bei Verhandlungspartnern erkennen und richtig damit umgehen
Lesedauer: 7 Minuten

Jeder Mensch ist anders und jeder Mensch reagiert auch anders. Es gibt in der Wissenschaft verschiedene Verhandlungstypen die persönlichkeitsbasiert als verschiedene Typen definiert wurden. Bei den Typologien versucht man die Komplexität zu reduzieren. Es gibt neben dem DISG Modell umfangreichere Typologien um die Persönlichkeitstypen zu definieren. Wichtig ist dabei, nicht davon auszugehen, dass die Einteilung immer zu 100% richtig ist und in jeder Verhandlung zutrifft. Dennoch ist es eine Basis, die uns hilft die Verhandlung im zwischenmenschlichen Bereich mit dem Verhandlungspartner besser zu führen. In dem Moment in dem ich das Interesse und das Bedürfnis, sowie die Grundmotivation meines Verhandlungspartners verstehe, kann ich viel besser die gemeinsamen Interessen und Optionen finden.

Was ist die persönlichkeitsbasierte Typologie von Dr. Wolfgang Hinz? Er entwickelte die persönlichkeitsbasierte Interessenstruktur und unterscheidet hier 9 grundlegende Menschentypen, die unterschiedlich in der Entwicklungsstufe sein können. Und diese können wir gut in Verhandlungstypen übertragen.

Ermittlung des Kern-Bedürfnis der Verhandlungstypen, der Person und deren Stressauslöser

Das wesentliche Element dieser Typologien ist, dass wir den Verhandlungstypen sehr schnell erfassen können auf Basis des Kern-Bedürfnisses sowie der potenziellen Stressauslöser für den Verhandlungspartner. Dadurch, dass wir den Verhandlungspartner besser einschätzen können sind Erfolge natürlich auch höher.

Es ist nicht das Ziel dieser Analyse den Verhandlungspartner dann genau seinen Stressfaktor auszulösen, um Vorteile in Verhandlungen zu erzielen. Das funktioniert nur kurzfristig.

Unser Bedürfnis und unser Interesse beeinflusst unser Denken und damit unser Fühlen, welches dann zu bestimmten Wahrnehmungen führt, welche wir als Realität sehen. Damit verbunden verhalten wir uns auch gemäß unserer subjektiven Realität.

In Anlehnung an das 4-Ohren Modell von Schulz von Thun erkennen wir durch die Wortwahl und Formulierungen die unbewusste Selbstoffenbarung sowie die eigene bewusste Selbstdarstellung oder Selbstinszenierung. Genau das bewirkt auch den 3 Sekunden Effekt, der uns Hinweise gibt, welche Interessen hinter der Verhaltensweise verborgen sind und wir schätzen auf dieser Basis – meist unbewusst – die andere Person ein. Haben wir uns da getäuscht, dann wird das kein Problem werden, solange wir unsere Annahmen mit einer guten Fragetechnik in Verhandlungen hinterfragen und uns nicht auf unsere ursprüngliche Annahme festlegen.

Persönlichkeitsbasierte Interessenstruktur nach Dr. Wolfgang Hinz – auf Verhandlungstypen

Die 9 Grundtypen als Verhandlungspartner

  • Der Perfektionist
  • Der Helfer
  • Der Erfolgsmensch
  • Der Individualist
  • Der Denker
  • Der Traditionalist
  • Der Lebenskünstler
  • Der Machtmensch
  • Der Schiedsrichter
  • Fallbeispiel aus der Verhandlungspraxis

Der Perfektionist als Verhandlungstyp

Perfektionisten lieben die Ordnung und möchten Recht haben. Der Perfektionist kritisiert den Verhandlungspartner häufig und steht selbst über aller Kritik – fast unantastbar. Er möchte die Welt verbessern und sucht nach Gerechtigkeit. Personen, die nicht nach seiner Perfektion leben, werden verurteilt. Kritik, Unordnung, Fehler oder Regelverstöße mag der Perfektionist nicht.

Grundbedürfnis: hat die Wahrnehmung besser als andere Menschen zu sein und möchte Recht haben.

Grundnot: Freiheit und Autonomie ist nicht selbstverständlich

Grundangst: Angst vor Verurteilung durch die Angst vor Versagen, wenn die Ideale nicht erreicht werden.

Vermeidung: Fehler und Konflikt

Versuchung: alles vollkommen zu haben

Stressauslöser: Hinweis auf eigene Fehler. Wenn die Situation nicht „perfekt“ ist und nicht in Ordnung gebracht werden kann.

Selbstoffenbarung: Nörgler, Belehrer, Rechthaber, „ohne Fehler“, Moral wird hoch bewertet.

Der Helfer als Verhandlungstyp

Verhandlungstypen die Helfer sind brauchen die Anerkennung wie der Mensch das Wasser. Sie streben danach geliebt zu werden. Das ist ihre Grundmotivation: hilfreich zu sein und genau für diese Hilfe auch anerkannt zu werden. Dieses Mutter Theresa Syndrom kann so weit gehen, dass die Hilfe auch als Kontrolle über andere ausgeübt wird. Sie wollen gebraucht werden und können schlecht NEIN sagen und das auch beim Verhandlungspartner.

Helfer sind gerne im Mittelpunkt in der Verhandlung – sie sind gerne großzügig, helfen, geben Rat oder Geschenke. Mit diesem Verhandlungstypen in einer Preisverhandlung werden Sie sicher mehr bekommen, als Sie erwartet haben.

Grundbedürfnis: möchte geliebt und anerkannt werden.

Grundnot: er empfindet zu wenig Anerkennung und Liebe zu bekommen

Grundangst: Angst ungeliebt, unerwünscht zu sein

Vermeidung: Unterdrückung der eigenen Bedürfnisse und Projizierung dieser auf den Verhandlungspartner

Versuchung: immer helfen; die Identität liegt in den Bedürfnissen anderer.

Stressauslöser: Hilfe wird abgelehnt oder es kommt kein Dank für die Hilfe (kleine Gesten sind ausreichend)

Selbstoffenbarung: schmeichelt, fühlt empathisch mit, fürsorglich, emotional, beratend und sentimental

Der Erfolgsmensch als Verhandlungstyp

Verhandlungstypen mit der Ausprägung Erfolg brauchen die Aufmerksamkeit, Bewunderung und Bestätigung ihres Verhandlungspartners. Der Verhandlungstyp mit der Ausprägung Erfolg hat die Grundmotivation andere zu beeindrucken um damit die entsprechende Anerkennung zu bekommen. Er denkt in Konkurrenz und Wettbewerb zum Verhandlungspartner und möchte der Beste sein. Image ist ihm wichtig. Er liebt Effizienz und Aktivität. Status und Image zu steigern ist sein Ziel und er spricht kaum über Emotionen.

Grundbedürfnis: Erfolg haben und Anerkennung bis zur Bewunderung um das Bedürfnis nach Liebe und Anerkennung zu decken.

Grundnot: hat das Gefühl zu wenig Liebe zu bekommen das er über Anerkennung decken möchte

Grundangst: Zurückweisung und Ablehnung – kann mit „NEIN“ nicht gut umgehen

Versuchung: Arbeits – und Erfolgssucht um Bewunderung zu bekommen. Der Erfolgsmensch tritt mit Menschen in Wettbewerb, von denen er bewundert werden will.

Vermeidung: Verlieren, Scheitern, Versagen, Misserfolg

Stressauslöser: Wenn Aufmerksamkeit reduziert wird, durch nicht Bewunderung und Anerkennung

Selbstoffenbarung: begeistert Andere, wirbt für Ideen, im Wettbewerb, auf das Ziel fixiert und schnell in der Konfrontation

Der Individualist als Verhandlungstyp

Der Verhandlungstyp Individualist drückt sich schön aus. Er mag keine Routine oder Regeln. Seine Kreativität bringt er gerne zum Ausdruck. Seine eigenen Bedürfnisse zu befriedigen steht vor denen der Anderen. Er möchte sich selbst verstehen, seine eigene Identität finden. Er kümmert sich zuerst um seine eigenen Bedürfnisse, bevor er sich dem Verhandlungspartner zuwendet. Verhandlungstypen mit dem Merkmal Individualist versorgen sich selbst mit dem, was sie in der realen Welt nicht bekommen.

Grundbedürfnis: Selbstverwirklichung und sich selbst zu verstehen – Identitätssuche

Grundnot: fühlt sich zu wenig geliebt

Grundangst: hat Angst nicht ok zu sein, nicht dazu zu gehören. Angst zu wenig Liebe und Anerkennung zu bekommen und fühlt sich unbeliebt und ungeliebt

Versuchung: Sucht laufend nach Originalität und seiner Identität

Vermeidung: Routine, Gewohnheit und Konventionalität – auf keinen Fall wie die Anderen sein

Stressauslöser: Aggression und konfrontierende Kommunikation; keine Aufmerksamkeit, Hinweis auf die eigene Gewöhnlichkeit sowie Verlust

Selbstoffenbarung: Fantasie, Inspiration, besonders und auffallend zu sein, ausschweifend; depressiv; stilvoll

Der Denker als Verhandlungstyp

Dem Verhandlungstyp Denker geht es um Wissen, Analyse und das Verständnis für die Welt. Das gibt ihm die Sicherheit die braucht, um sich vor unsicheren Situationen zu schützen. So auch in Verhandlungen – er ist perfekt vorbereitet auf den Verhandlungspartner und reagiert mit Flucht bei ungewohnten Situationen.

Er ist eher introvertiert und auf Rückzug orientiert. Small Talk, lautes Reden oder auch Emotion sowie Gespräche über sein Privates möchten diese Verhandlungstypen nicht.

Grundbedürfnis: alles verstehen und alle Informationen zu bekommen

Grundnot: Unsicherheit

Grundangst: Angst vor Unsicherheit – sieht Menschen als Bedrohung. Seine Neugier und Aufmerksamkeit helfen ihm sich zu schützen

Versuchung: Der Denker nutzt jede Möglichkeit um mehr Wissen zu bekommen

Vermeidung: sein Innerstes, seine Gefühle gibt er nicht Preis

Stressauslöser: schnell überfordert bei Emotionen

Selbstoffenbarung: introvertiert, erklärt, wirkt reserviert

Der Traditionalist als Verhandlungstyp

Der Verhandlungstyp Traditionalist braucht Sicherheit. Diese holt er sich aktiv. Bekommt er diese vom Verhandlungspartner, so hat er das Gefühl geliebt und akzeptiert zu werden. Er kämpft beim Verhandlungspartner darum keine Angst und Unsicherheit zu empfinden und wünscht sich dafür Anerkennung. Wenn er Unsicherheit spürt sucht er Rückendeckung bei Autoritäten.

Er braucht Zeit um sich auf neue Situationen und Veränderungen vorzubereiten. Zudem widerspricht er sich selbst, um Treue und Loyalität zu testen – ob man ehrlich mit ihm ist. Unsicher wird er bei Lügen, Täuschungen und Verrat/Konflikt. Das meiden diese Verhandlungstypen.

Grundbedürfnis: Sicherheit und sich geborgen fühlen

Grundnot: empfindet schnell Unsicherheit

Grundangst: Sicherheit und Geborgenheit findet er nicht in sich – dafür braucht er Autoritäten. Angst mit verbundener Flucht vor Ausnutzung und Strafe

Versuchung: Ambivalenz zwischen Sicherheitsstreben bei Autoritäten oder im Glaubenssystem und Misstrauen

Vermeidung: falsches Verhalten und damit verbundene Straferwartung

Stressauslöser: Wenn die initiierten Sicherheitsmaßnahmen nicht funktionieren, Veränderungen, Zurückweisung von Bezugspersonen und Verrat von Autoritäten

Selbstoffenbarung: symbiotisch, loyal, sicherheitsbedürftig, pessimistisch und damit vorwarnend, begrenzend, verantwortungsbewusst und zuverlässig

Der Lebenskünstler als Verhandlungstyp

Der Verhandlungstyp Lebenskünstler vermeidet Langeweile, Mangel oder auch Schmerz. Er mag seine Freiheit, Abenteuer, Reisen, Spaß und albert gerne. Geduld ist nicht seine Stärke er möchte alles sofort haben/machen. Er mag Entertainment und lässt sich ungern Regeln auferlegen. Routine, Regeln, Langeweile sind nicht das Bedürfnis der Verhandlungstypen Lebenskünstler.

Grundbedürfnis: Glück und Zufriedenheit

Grundnot: Unsicherheit

Grundangst: Bedürfnis nach Sicherheit wird nicht befriedigt und die Angst vor Schmerz und Langeweile durch laufendes aktiv sein unterdrückt

Versuchung: Vermeidung von Angst durch Lustgewinn und Zerstreuung.

Vermeidung: Langeweile, Schmerz, Mangel

Stressauslöser: Wahrnehmung von Schmerz, Langeweile, Verlust.

Selbstoffenbarung: schwätzende Unverbindlichkeit, auf Lust fixiert, erzählend, begeisterungsfähig

Der Machtmensch als Verhandlungstyp

Der Verhandlungstyp Machtmensch hat Angst vor Abhängigkeit vom Verhandlungspartner und handelt im eigenen Interesse. Er beherrscht das Beziehungsmanagement zum Verhandlungspartner und beeinflusst gerne sein Umfeld.

Wichtig ist ihm zu zeigen wie gut er ist. Er versucht den Verhandlungspartner zu dominieren und ist durchsetzungsstark. Er hat nicht das Bedürfnis geliebt zu werden. Die Angst seiner Feinde spornt ihn an und bringt ihn in von ihm geliebten Wettbewerb und Konkurrenzkampf. Verhandlungstypen mit dem Thema Macht lehnen Emotionen, Schwäche und Heucheln genauso ab wie unklare Aussagen.

Grundbedürfnis: Macht und Autonomie

Grundnot: Autonomie zu verlieren

Grundangst: Autonomiebedürfnis ist in Gefahr, Unterordnen unter Andere

Versuchung: kämpft für die eigene Gerechtigkeit, nutzt Rache und Vergeltung

Vermeidung: schwach sein, hilflos, unterlegen

Stressauslöser: Verrat wenn Aggression nicht funktioniert

Selbstoffenbarung: selbstbewusster Kampf, provozierend, kontrolliert und fordert heraus, demaskierend, verteidigt sein Revier

Der Schiedsrichter als Verhandlungstyp

Verhandlungstypen die Schiedsrichter sind mögen keine Veränderungen. Dieser Verhandlungstyp vermeidet Konflikt oder auch Spannungen und sucht die Harmonie mit dem Verhandlungspartner. Konflikte werden geschönt, um sie zu verleugnen. Er hat eine Vorliebe für Harmonie, Routine, Kompromisse und feste Zeiteinteilungen. Abneigung empfindet gegen Stellung beziehen, Streit und nein sagen.

Versuchung: Selbstaufgabe mit Unterdrückung des eigenen Ich.

Vermeidung: Konfliktvermeidung durch Aussitzen.

Grundbedürfnis: Harmonie mit allen Menschen

Grundnot: Autonomie ist nicht selbstverständlich

Grundangst: Bedürfnis nach Autonomie wird nicht befriedigt. Dadurch identifiziert er sich mit Verhandlungspartnern und gibt die eigene Autonomie auf, große Verlustangst.

Stressauslöser: Druck Stellung zu beziehen und zu entscheiden mit den Konsequenzen; jede Auseinandersetzung im Interessenskonflikt

Selbstoffenbarung: angepasst, Streit wird prinzipiell geschlichtet, Anpassung, Harmonie und Frieden, unentschlossen und monoton, zurückhaltend

Fallbeispiel aus der Verhandlungspraxis mit verschiedenen Verhandlungstypen

Peter ist mit Gustav schon lange befreundet und Peter hat nun schon einige Monate in der Firma von Gustav als Vertriebsleiter angestellt. In Verhandlungen mit Gustav fällt Peter auf, dass Gustav ihm über den Mund fährt in der Verhandlung und sehr kalt und distanziert zu ihm ist. Peter wird merkt, dass er immer wütender wird und möchte das Thema lösen. Peter analysiert die Interessensituation von beiden auf Basis der Verhandlungstypologie, um eine Lösung zu finden.

Das Resultat der Interessensanalyse der beiden Verhandlungstypen zeigt Peter, dass das gemeinsame Interesse Verstehen ist. Gustav braucht Sicherheit und holt sich diese Sicherheit über das Verstehen seiner Umwelt und dementsprechende Kontrolle. Peter selbst ist wichtig sich selbst zu verstehen.

Peter fängt an Gustav regelmäßig Feedbacks zu schreiben, wie die Ergebnisse in den Verhandlungen mit Kunden sind. Auf diese Weise hat Peter Gustav’s Sicherheitsbedürfnis befriedigt und die Situation wird leichter. Durch die Einschätzung, dass es sich bei Peter um einen Individualisten handelt, können die Bedürfnisse in dem Prozess Erkennen des Verhandlungstypen, leichter identifiziert werden.

Was bringt das für die eigenen Verhandlungen

In der eigenen Verhandlung kann dieser Ansatz der Verhandlungstypologie mit den verschiedenen Verhandlungstypen hilfreich sein, um die gemeinsamen Interessen der Verhandlungspartner zu finden. Und das in erster Linie durch die Beobachtung. Das Modell bietet sich an um die Bedürfnisse, Motivation und die Stressauslöser bei den Verhandlungspartnern zu erkennen und auf dieser Basis gemeinsame Interessen und Optionen zu finden. Es geht ja darum den Verhandlungstyp typgerecht, individuell, wie sein Interesse und seine Grundmotivation es brauchen, abzuholen. Wir können dies bereits vor der Verhandlung analysieren.

Dabei ist diese Typologie stets nur als Hilfestellung zu betrachten, um sich der Wahrheit zu nähern. Jeder Mensch ist und bleibt individuell.

Über die Autorin:

ulrikeknauerUlrike Knauer ist Speaker, Trainerin, Coach und Autorin und gilt als Expertin für das Thema „Wahres Interesse verkauft mehr“.  Kunden wollen am liebsten selber kaufen, als etwas verkauft bekommen. Entwickelt hat sie diese Methode, weil sie sich geärgert hat, wie Verkäufer den Kunden niederreden, kaum zuhören und dann versuchen möglichst schnell den Abschluss zu bekommen. Ulrike Knauer kommt aus der Praxis mit über 30 Jahren Erfahrung im  internationaler Marktaufbau und Vertrieb.

Weitere Informationen über Ulrike Knauer

 
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