KI-Systeme zur Optimierung der Geschäftsprozesse einsetzen

KI-Systeme zur Optimierung der Geschäftsprozesse einsetzen
Lesedauer: 5 Minuten

Viele Unternehmen werden künftig beim Gestalten ihrer Geschäftsprozesse auch auf künstliche Intelligenz setzen. Damit einher geht ein großer Change-Management-Bedarf in den Unternehmen, aber auch die Beraterbranche muss sich darauf einstellen.

Es wirkt etwas verrückt, was uns der Regisseur Spike Jonze in seinem 2013 produzierten Film „Her“ zum Thema künstliche Intelligenz, kurz KI, erzählt: Theodore Twombly, der Hauptcharakter des Films, verliebt sich in Samantha, ein Betriebssystem auf seinem Rechner, mit dem er via Headset und Videokamera kommuniziert. Samantha ist eine künstliche Intelligenz. Sie lernt über die Interaktion mit Theodore und ihr Verhalten wird immer menschlicher. Am Ende beginnt Theodore sogar eine intime Beziehung mit Samantha.

Schon klar, wir sprechen hier von einem Film, der nicht den Anspruch erhebt, in allen Punkten der Realität zu entsprechen. Doch wie weit sind wir 2019 – ein halbes Jahr nachdem in Japan ein Mann ein Hologramm heiratete – noch von einem solchen Szenario entfernt? Und: Wie intelligent ist heute bereits die künstliche Intelligenz und wie gut kann sie mit uns kommunizieren?

Lernende Maschinen und Systeme

Maschinen lernen im Prinzip ähnlich wie Menschen. So kann ein Computerprogramm beispielsweise lernen, bestimmte Objekte zu erkennen. Dazu wird es zunächst mit Daten gefüttert und trainiert. Ihm wird zum Beispiel gesagt, welches Objekt ein Pferd ist und welches nicht. Danach erhält das Programm regelmäßig eine Rückmeldung vom Programmierer, ob es die Unterscheidung „Pferd“ und „kein Pferd“ richtig traf. Dieses Feedback nutzt der Algorithmus, um sich selbst so lange zu verbessern, bis er am Ende sicher die Unterscheidung „Pferd“ und „kein Pferd“ trifft.

Die Machine Learning Systeme bestehen in der Regel aus drei Komponenten:

  1. aus einem Modell, das Vorhersagen und Identifikationen trifft,
  2. aus Parametern, also Signalen oder Faktoren, die vom System genutzt werden, um Entscheidungen zu treffen, und
  3. aus dem lernenden System.

Das lernende System passt die Parameter und somit auch das Modell an, indem es sich die Unterschiede zwischen der Vorhersage und dem tatsächlichen Ergebnis anschaut.

Zu Beginn weichen die Ergebnisse noch oft von der Prognose ab. Das System muss also lernen. Dazu überprüft es die eingespeisten Daten kontinuierlich und lernt aus ihnen. Hierzu werden mit Hilfe mathematischer Algorithmen die ursprünglichen Annahmen angepasst und so das Modell immer weiter optimiert.

KI in Unternehmen

Insbesondere Dienstleistungsunternehmen wie Banken und Versicherungen investieren heute bereits viel Zeit und Geld in künstliche Intelligenz. Sie setzen beispielsweise auf KI-Disziplinen wie Robotic Process Automation (RPA), Knowledge-Management-Software, digitale Assistenten und Predictive Analytics. Dabei sehen sie den künftigen Nutzen der künstlichen Intelligenz vor allem im Kontakt mit den Kunden. Mit Hilfe der KI sollen die angebotenen Produkte bzw. Leistungen sowie die Kundenansprache individueller gestaltet werden. Dabei werden die Kunden heute jedoch noch meist von persönlichen Kundenberatern bedient; die KI hat sozusagen nur eine Unterstützungsfunktion – auch weil es auf Menschen befremdlich wirkt, sich mit einer Computerstimme zu unterhalten, die unsere natürliche Sprache nicht versteht.

Google stellte auf der Developer Conference 2018 jedoch mit Google Duplex eine Technologie vor, mit der es möglich ist, dass KI-Systeme scheinbar echte Gespräche mit Menschen führen – zumindest solche von kurzer Dauer sowie zu Themen, für die das System zuvor trainiert wurde. Das Video, in dem Google Duplex vorgestellt wird, erzielte bei YouTube über 2,5 Millionen Aufrufe*. Beim Anschauen wird schnell klar: Menschen können die Computerstimme nicht von der Stimme eines echten Menschen unterscheiden, und das System versteht echte menschliche Sprache und reagiert passend hierauf. Es vereinbart beispielsweise für seinen Nutzer einen Friseurtermin oder bestellt einen Restauranttisch.

Deshalb ist es vorstellbar, dass solche Systeme in Zukunft auch von Unternehmen – nicht nur Banken und Versicherungen – eingesetzt werden, beispielsweise um telefonisch Bestellungen, Beschwerden oder Schadensmeldungen aufzunehmen und zu be- oder verarbeiten. Dabei lernt das System durch das Feedback der Anrufer ständig hinzu.

Bedeutung für das Change-Management

Der Einsatz künstlicher Intelligenz bedingt zwangsläufig einen Veränderungsprozess in den Unternehmen. Denn hierbei werden bisher von Menschen verrichtete Arbeiten von Maschinen übernommen; Menschen werden nur noch zu Beginn benötigt, um das System zu trainieren.

Damit einher geht auch ein Wandel der Unternehmenskultur. Allein schon deshalb müssen die betroffenen Mitarbeiter am Prozess beteiligt sein – wie stark muss im Einzelfall entschieden werden. Ein Patentrezept für die Begleitung eines solchen Wandels gibt es nicht. Umso wichtiger ist es, sich dessen bewusst zu werden, dass die Einführung von künstlicher Intelligenz zwangsläufig ein zielgerichtetes Change-Management erfordert. In diesem Prozess steckt aktuell bereits die Finanzbranche.

Ebenfalls betroffen ist die Consultingbranche: Auch sie muss sich Gedanken über den Einsatz künstlicher Intelligenz machen, denn auch in ihr spielt die Schnittstelle zum Kunden eine zentrale Rolle. Angenommen ein Beratungsunternehmen wird für einen Veränderungsprozess angefragt. Dann gilt es zunächst, das Kundenanliegen zu verstehen. Dafür sind Telefonate und eine gute Analyse der Situation erforderlich. Bislang werden solche Telefonate entweder von einem Backoffice oder den Beratern selbst geführt. Diese vereinbaren Termine vor Ort, um sich die Situation genauer anzuschauen und sich ein konkretes Bild zu machen.

Stellen Sie sich folgendes Szenario vor: Sie als Kunde rufen an und fragen nach einer Change-Management-Beratung. Ihre Anfrage wird von einer künstlichen Intelligenz aufgenommen, die Ihnen bereits die wichtigsten Fragen stellt, um Ihr Anliegen zu klären. Danach verbindet Sie das System unmittelbar mit einem Experten. Das spart Zeit und Analyse-Kosten – selbst, wenn anschließend nochmals eine Detailanalyse durch den Experten bzw. Berater erfolgt.

KI-Elemente fließen in den Beratungsprozess ein

Die aktuellen bestehenden KI-Systeme können noch keine komplexen (Telefon-)Analysen und Beratungen durchführen. Doch es gibt bereits Systeme, die solche Prozesse unterstützen. Diese sind zwar noch keine KI an sich, doch eine Vorstufe hiervon. Ein solches System kommt auch bei Dr. Kraus und Partner (K&P) im Bereich Change Management zum Einsatz.

Aufgrund unserer langjährigen Beratungstätigkeit verfügt unsere Organisation über ein großes Expertenwissen hierzu. Hiervon sollen alle K&P-Berater und -Kunden profitieren. Deshalb speichert K&P das individuelle und kollektive Wissen sowie die gemachten Erfahrungen zum Thema Change in einer Software. Dieses geballte Know-how ist für Kunden jedoch nur insoweit interessant, wie es sich mit ihrem Bedarf deckt. Sie wären überfordert, wenn K&P, bildhaft gesprochen, sein ganzes Wissen einfach auf ihrem Schreibtisch ausschütten und sie damit allein lassen würde – eventuell mit dem Hinweis: „Sie müssen uns ‚einfach‘ nur sagen, was Sie brauchen.“

Deshalb werden den Kunden stattdessen mithilfe des Change-Management-Systems, ausgehend von ihrer Situation, die verschiedenen (Handlungs-)Optionen aufgezeigt. Die Kunden entscheiden dann, welche Optionen sie wählen. Im nächsten Schritt werden ihnen für die gewählte Option wiederum die verschiedenen Alternativen aufgezeigt, von denen erneut die für sie relevanten Möglichkeiten auswählen. So führt das System die Kunden Schritt für Schritt durch die Kernfragen, die sie sich in ihrer aktuellen Situation stellen sollten. Die Kunden können somit unmittelbar ihr Anliegen bearbeiten, ohne die ganze Welt des Change Managements zu verstehen. Und die K&P-Berater? Sie können besser vorinformiert ins Gespräch mit den Kunden einsteigen.

In seiner aktuellen Version arbeitet das System noch ohne künstliche Intelligenz. Es wird vielmehr kontinuierlich mit dem neuen (Erfahrungs-)Wissen der K&P-Berater gefüllt und weiterentwickelt. Das heißt auch: Systemzweige des Softwareprogramms, die sich als erfolgreich erwiesen haben, werden beibehalten; Zweige hingegen, die weniger zielführend waren, werden entweder angepasst und optimiert. Hierin ähnelt die Funktionsweise des Programms der eines KI-Systems.

KI hilft, kundenspezifische Lösungen zu entwerfen

Mit dem Einsatz dieses Programms sammelte K&P bislang äußerst positive Erfahrungen. Unabhängig von der Größe eines Projektes hilft es schnell einen Überblick über das Kunden-Vorhaben bzw. -Anliegen zu bekommen und kundenspezifische Lösungen zu erarbeiten. Entsprechend positiv ist die Resonanz der Kunden. Und stellt sich im Laufe des Beratungsprozesses heraus, dass eine weitere Option ins Auge gefasst und durchdacht werden sollte? Dann muss lediglich basierend auf dem nun bestehenden Wissens- und Erkenntnisstand das Softwareprogramm erneut durchlaufen werden.

Unter anderem aufgrund dieser Erfahrung ist K&P überzeugt:

  • Der Einsatz von KI – auch im Beratungsprozess – wird künftig weiter voranschreiten und
  • sowohl die firmeninternen, als auch -externen Change-Berater müssen sich hierauf einstellen.

Oder anders formuliert: Die Beratungsbranche muss sich für den Einsatz neuer Technologien und Verfahren öffnen, wenn sie die aus dem KI-Einsatz ihrer Kunden resultierenden Veränderungsprozesse begleiten möchte – und zwar unabhängig davon, ob diese sich auf der Ebene der Strategie, der Struktur oder der Kultur eines Unternehmens vollziehen.

Sich jetzt bereits für die Zukunft wappnen

Der aktuelle Entwicklungsstand der KI lässt noch keine abschließenden Anwendungsszenarien zu. Er offenbart jedoch zahlreiche Möglichkeiten, Geschäftsprozesse künftig zu beschleunigen und effizienter zu machen. Sich jetzt schon mit den Möglichkeiten und Anforderungen eines Einsatzes KI-gestützter Systeme vertraut zu machen, ist wichtig, um mögliche Einsatzgebiete früh zu identifizieren und deren operativen Einsatz vorzubereiten. Diese strategische Vorbereitung kann darüber entscheiden, welche Player in der immer dynamischer werdenden Unternehmensumwelt künftig zu den Gewinnern zählen und welche aufgrund der technologischen Disruption vom Markt verschwinden werden.

Ob wir Menschen uns in Zukunft so gut mit der künstlichen Intelligenz verstehen, dass wir uns wie im Film „Her“ in sie verlieben, bleibt dabei offen und vor allem jedem selbst überlassen. Sicher ist aber: Sie wird uns in Zukunft noch intensiver begleiten als sie es bereits tut.

Über den Autor:

Weber, FlorianFlorian Weber ist Changeberater bei der Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal. Dort ist er als Experte für den Bereich Digital Solutions unter anderem für die Konzeption innovativer Lernsysteme, digitaler Kommunikationsanwendungen und die Einbindung künstlicher Intelligenz in laufende Geschäftsprozesse zuständig.

Quelle*:

  • Grubb, J./ YouTube (2018). Google Duplex: A.I. Assistant Calls Local Business To Make Appointments. Verfügbar unter: https://www.youtube.com/watch?v=D5VN56jQMWM [11.03.2019].
  • Leviathan, Y. & Matias Y. (2018). Google Duplex: An AI System for Accomplishing Real-World Tasks Over the Phone. Google AI Blog. Verfügbar unter: https://ai.googleblog.com/2018/05/duplex-ai-system-for-natural-conversation.html [11.03.19].

Begriffsdefinition: Was ist künstliche Intelligenz?

Der Begriff künstliche Intelligenz, kurz KI, ist nicht einheitlich definiert – auch weil die KI-Forschung, seit ihren Anfängen in den 1950er Jahren, eine interdisziplinäre ist. Für die praktische Anwendung hat sich jedoch folgende Definition als sinnvoll erwiesen: „Künstliche Intelligenz ist die Eigenschaft eines IT-Systems, menschenähnliche, intelligente Verhaltensweisen zu zeigen.“

Der Begriff künstliche Intelligenz steht für Informatikanwendungen, die das Zeigen intelligenter Verhaltensweisen zum Ziel haben. Künstliche Intelligenz soll Menschen beim Erreichen ihrer Ziele unterstützen – nicht überflüssig machen.

Dies setzt bei den KI-Systemen folgende vier Kernfähigkeiten voraus:

  • wahrnehmen,
  • verstehen,
  • handeln und

Sie erweitern das Grundprinzip „Eingabe, Verarbeitung, Ausgabe“ aller EDV-Systeme. Dabei ist das wirklich Neue an den heutigen KI-Systemen das Lernen und damit verbunden das Verstehen.

 
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