Versteht der Marketing-Berater das Geschäft des Kunden?

Versteht der Marketing-Berater das Geschäft des Kunden
Lesedauer: 4 Minuten

„Kennt und versteht der Berater unser Geschäft?“ Das ist oft die entscheidende Frage, wenn Unternehmen Berater engagieren. Das sollten sich Berater, Trainer und Coaches auch fragen, wenn sie selbst Berater engagieren – zum Beispiel im (Online-)Marketing-Bereich.

Als (Online-)Marketing-Berater für Berater pflegen wir außer den Webseiten auch die Social-Media-Kanäle mehrerer Trainings- und Beratungsanbieter. Doch leider sind wir nicht alleine auf dieser Welt. Außer uns gibt es noch ganze Heerscharen von Dienstleistern, die Unternehmen beim Optimieren ihrer Webseite sowie zum Beispiel beim Aufbau von Kontakten in ihren Social-Media-Accounts und bei deren Pflege unterstützen – Dienstleister,

  • die sich oft zumindest in ihrer Außendarstellung als deutlich größere Agenturen als unsere Vier-Mann-Frau-Klitsche präsentieren und
  • die zum Beispiel deutlich namhaftere Kunden als wir haben, weil letztere im Consumer-Geschäft zuhause sind und zum Beispiel Markenartikler und Onlineshop-Betreiber sind.

Mit diesen SEO-, Online-Marketing- und Social-Media-Experten sprechen selbstverständlich auch ab und zu unsere Kunden – sei es um sich zu informieren oder weil diese sie kontaktieren. Dies führt zum Teil zu absurden Situationen.

Tipp von Social-Media-Berater 1: mindestens 4 LinkedIn-Posts pro Tag

So rief mich zum Beispiel vergangene Woche der Inhaber eines Beratungsunternehmens, dessen Social Media-Accounts wir unter anderem betreuen, an und sagte, er habe mit mehreren ausgewiesenen Social-Media-Experten gesprochen und diese hätten ihm übereinstimmend versichert: „Bei LinkedIn muss man mindestens vier Posts pro Tag platzieren, um überhaupt wahrgenommen zu werden und etwas zu bewirken.“

Ich sah das anders, also argumentierte ich dagegen. Doch aufgrund der geballten Kompetenz der mir unbekannten anderen Social-Media-Experten, die unserem Kunden als Einflüsterer dienten, konnte ich ihn nicht überzeugen. Also versprach ich ihm: „Wir werden künftig täglich vier wertige Posts von Ihnen in Ihrem LinkedIn-Account platzieren.“ Danach verabschiedete ich mich ins Wochenende.

Tipp von Social-Media-Berater 2: maximal 1 LinkedIn-Post pro Tag

Doch kaum war ich gestern Morgen wieder im Büro rief mich eine Kundin an, deren LinkedIn-Account wir ebenfalls pflegen. Sie teilte mir mit, sie habe in den letzten Wochen mit mehreren Social-Media-Experten gesprochen und diese hätte ihr übereinstimmend gesagt, man solle bei LinkedIn keinesfalls mehr als einen Post pro Tag platzieren, sonst würden die Posts von LinkedIn als „weniger relevant eingestuft und weniger Personen angezeigt“.

Zwar bin auch ich – egal, um welches Marketing-Tool es geht – ein Fan der Maxime „mäßig, aber regelmäßig“ – doch hieraus ein Dogma zu machen, erschien mir etwas übertrieben. Doch weil die Maxime „maximal ein Post pro Tag“ unserer Kundin so wichtig war, versprach ich ihr: „Künftig halten wir uns an diese Vorgabe.“

Doch welche Einflüsterer haben nun Recht:

  • diejenigen, die unserem Kunden sagten „mindestens vier Posts pro Tag“ oder
  • diejenigen, die unserer Kundin sagten „maximal ein Post pro Tag“?

Hierzu habe ich eine klare Meinung, doch diese äußere ich hier nicht; denn egal, was ich schreibe: Es wird Widerspruch von anderen Experten geben.

Unser Tipp: Vielleicht auch etwas auf den Inhalt achten

Was ich jedoch auffallend finde: Kein „Einflüsterer“ sagte unseren Kunden, was sie posten sollten, um eine reelle Chance haben, dass ihre Adressaten – nämlich die Entscheider in größeren Unternehmen – sie als Kontakte in ihr virtuelles Netzwerk aufnehmen, ihre Posts lesen und eventuell sogar liken, kommentieren und teilen. Der Inhalt der Posts ist in ihren Augen offensichtlich weniger relevant also die Frage,

  • ob man ein, zwei oder vier Posts pro Tag auf LinkedIn hochlädt oder
  • ob man dies morgens, mittags oder abends tut.

Jeder Online-Marketing-Berater hat Analyseprogramme, doch …

Ähnliche Erfahrungen sammeln wir im SEO-Bereich. Abhängig davon, mit welchem SEO-Experten unsere Kunden sprechen, erhalten sie mal diese und mal jene Antwort, was sie tun sollten, damit ihre Webseite gut im Netz gefunden und oft besucht wird – denn jeder Experte hat wie wir mindestens ein schlaues Analyseprogramm, das ihm sagt, wo in einer Webseite noch Optimierungspotenzial steckt und auf welche Suchbegriffe man diese zum Beispiel optimieren sollte.

Das Problem ist nur: Diese Programme sind wie alle Analyseprogramme im Online-Marketing-Bereich letztlich dumm. Das heißt unter anderem: Sie berücksichtigen bei ihren Empfehlungen zum Beispiel nicht:

  • Ist der Berater im B2B- oder B2C-Bereich tätig?
  • Ist sein Geschäft primär ein regionales, ein nationales oder gar internationales?
  • Hat er zum Beispiel bei so stark umkämpften Begriffen wie „Leadership“ oder „Digitale Transformation“, „Coaching“ oder „Change Management“ überhaupt eine realistische Change in der Google-Trefferliste auf Seite 1 zu landen oder ist die Konkurrenz hierfür zu stark?
  • Steht der für das Umsetzen der Empfehlungen erforderliche Input an Zeit und/oder Geld in einem angemessenen Verhältnis zum potenziellen Ertrag oder sprengt er die Ressourcen bzw. den Geldbeutel des Beraters?

Die ausgespuckten Daten müssen interpretiert werden, sonst …

Solche Fragen fließen leider weder in die Ergebnisse der Auswertungen der Analyse-Programme, noch in die Empfehlungen vieler SEO-Berater ein. Deshalb mögen ihre Empfehlungen zwar zuweilen durchaus ihre Berechtigung für Großunternehmen haben, deren Ressourcen nahezu unbegrenzt sind, oder für Unternehmen wie Zalando, deren Geschäft ein reines Online-Geschäft ist. Für die Anbieter im Bildungs- und Beratungsbereich sind sie aber meist „unpassend“, weil sie in der Regel nicht im B2C-, sondern B2B-Bereich zuhause sind und ihre Marketing-Ressourcen recht überschaubar sind.

Trotzdem verwirren SEO-Berater mit den „objektiven Daten“, die ihnen ihre Analyseprogramme im automatisierten Schnelldurchlauf liefern, immer wieder unsere Kunden …. und wir stehen dann vor der zeitaufwändigen oder zuweilen sogar aussichtslosen Aufgabe, Kunden zu erklären: „Das mag ja alles schön und gut sein, was Ihnen der SEO-Berater (oder Online-Marketing- oder Social-Media-Berater) erklärt hat, doch Sie sollten seine Empfehlungen sofort wieder vergessen sind, weil ….“.

Wichtig ist: Das Geschäft des Kunden kennen und verstehen

Damit soll nicht gesagt sein: Alle Marketing-Berater außer uns sind „Blindfüchse“, während wir die Weisheit mit Löffeln gefressen haben. Berater, Trainer und Coaches sollten bei der Auswahl ihrer Unterstützer im (Online-)Marketing und SEO-Bereich jedoch durchaus darauf achten: Ist dieser branchenübergreifend tätig oder auf unsere Branche spezialisiert? Oder anders formuliert: Kennt und versteht der potenzielle Unterstützer unser Geschäft … und weiß er, dass man komplexe Trainings- und Beratungsleistungen anders vermarkten muss als zum Beispiel Kosmetikartikel und Klamotten, die Kunden oft spontan kaufen, weil sie gerade Lust darauf haben?

Über den Autor:

Kuntz, BernhardBernhard Kuntz ist der PRofilBerater GmbH, Darmstadt, die Bildungs- und Beratungsanbieter beim (Online-)Marketing unterstützt. Er ist Autor u.a. der Bücher „Die Katze im Sack verkaufen“, „Fette Beute für Trainer und Berater“ und „Warum kennt den jeder?“.

 
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