
Alle Jahre wieder dasselbe Ritual. Kaum fallen die Blätter von den Bäumen fragen B2B-Dienstleister – wie zum Beispiel Berater, Trainer, Coaches – gehäuft bei Marketingagenturen an, ob diese sie bei der Kunden- und Auftragsakquise unterstützen könnten.
So auch in diesem Jahr. Monatelang herrschte zuvor, überspitzt formuliert, Funkstille, doch kaum kündigen sich die Adventszeit und der Jahreswechsel an, schreit plötzlich gefühlt alle Welt nach Marketingberatung und -unterstützung – und zwar möglichst sofort und mit voller Kraft.
Dienstleister erwachen aus Marketing- und Akquise-Tiefschlaf
Der Grund hierfür: Gegen Jahresende schauen viele B2B-Dienstleister wie Berater, Trainer, Coaches in ihre Auftragsbücher fürs kommende Jahr und stellen fest: Da klaffen ja noch große Löcher – Löcher, die in diesem Jahr
- oft sogar noch größer sind als in den Vorjahren und
- in den kommenden Wochen zuweilen sogar noch größer werden könnten wegen der aufgrund der unsicheren Wirtschaftslage hereinschneienden Stornos.
Also versenden die B2B-Dienstleister, nachdem nicht wenige von ihnen zuvor monatelang im Marketing-Tiefschlaf waren, nun wieder Mailings an ihre „sehr verehrten Kunden“. Und die ganz aktiven unter ihnen? Sie greifen sogar zum Telefonhörer und rufen die Entscheider bei ihren Stammkunden an, um die noch fehlenden Aufträge fürs kommende Jahr unter Dach und Fach zu bringen und so zumindest die „Grundauslastung“ ihrer Person oder Organisation für das Jahr 2026 zu sichern.
B2B-Dienstleistern brechen Stammkunden weg
Doch dann hören sie nicht selten:
- „Wir müssen im kommenden Jahr andere Prioritäten setzen. Deshalb muss ich Ihnen leider sagen,…“ Oder:
- „Wir können zurzeit noch nichts entscheiden, weil wir noch nicht wissen, inwieweit die unsichere Wirtschaftslage unsere Planungen verhagelt.“ Oder:
- „Unser Vorstand hat entschieden, dass wir ab 2026 verstärkt auf digitale Problemlösungen setzen. Deshalb müssen wir Ihnen leider mitteilen,….“
Kurz: Die Dienstleister erhalten die mental für das Folgejahr schon fest eingeplanten Aufträge entweder definitiv nicht, oder sie werden auf einen unbestimmten Zeitpunkt in der Zukunft vertröstet.
Geschieht dies, dann geraten nicht wenige B2B-Dienstleister in Panik – speziell solche, die in den zurückliegenden Jahren weitgehend von einer Handvoll Stammkunden lebten. Also rufen sie zum Beispiel bei uns an – nicht selten in der Hoffnung, dass wir ihnen einige Marketing-Zaubertricks verraten, mit denen sie recht kurzfristig und ohne hohe Kosten ihre Auftragsbücher füllen können. Schließlich sind die Umsätze vieler Dienstleister, insbesondere solcher die aus Unternehmenssicht auf eher „softe“ HR-Themen spezialisiert sind, zurzeit eher mau (oder sie bleiben zumindest hinter den Erwartungen zurück).
Ziel: kurzfristig neue Kunden und Aufträge akquirieren
Entsprechend enttäuscht sind sie, wenn die Marketingagenturen ihnen dann sagen „Wir haben keine Zeit bzw. freien Kapazitäten“ oder gar „Ihre Erwartungen sind unrealistisch, denn so kurzfristig, wie von Ihnen erhofft, lassen sich zumindest keine Projektaufträge akquirieren“ – speziell dann nicht, wenn einem Dienstleister oder Berater, gleich welcher Couleur, eigentlich alle relevanten Marketinginstrumente fehlen, wie zum Beispiel
- ein gepflegter Adresspool,
- eine aussagekräftige Webseite, die bei der Websuche gut gefunden wird,
- Beschreibungen von oder Artikel über Referenzprojekte und
- smarte „Schaufenster-Produkte“, die dazu geeignet sind, bei Neukunden einen Fuß in die Tür zu bekommen und von ihnen einen kleinen Erstauftrag zu erhalten.
Dann sind in der Regel erst mal gewisse Vorarbeiten, also auch ein gewisses Invest an Zeit und/oder Geld, nötig, damit eine erfolgreiche Auftragsakquise speziell bei Neukunden, zu denen der betreffende Dienstleister noch keine Beziehung hat, überhaupt beginnen kann.
Ein gewisses Kunden-Sterben ist normal
Deshalb sehen wir die verstärkte Nachfrage nach unseren Leistungen – alle Jahre wieder – gegen Jahresende und zu Jahresbeginn (bevor viele Dienstleister wieder in einen Marketing-Tiefschlaf versinken) mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Mit einem lachenden Auge, weil es uns selbstverständlich freut, wenn unsere Leistungen nachgefragt werden. Mit einem weinenden Auge, weil diese Anfragen meist nur ein Ausdruck der grundlegenden Defizite im Marketing vieler B2B-Dienstleister sind.
So fehlt zum Beispiel vielen Dienstleistern das Bewusstsein, dass ein gewisses Kundensterben im B2B-Bereich, selbst wenn ein Anbieter für seine Kunden eine Top-Leistung erbringt, normal ist – und zwar nicht nur in Marktumbruch-Zeiten. Denn immer wieder wechseln die Entscheider in den Unternehmen. Oder diese setzen andere Prioritäten. Deshalb ist es für B2B-Dienstleister auch in „normalen Zeiten“ existenzgefährdend, sich auf einer Handvoll Stammkunden auszuruhen und aufgrund der aktuell guten Auslastung die Marketing- und Vertriebsaktivitäten einzustellen. Und in den Zeiten, in denen viele, gerade größere Unternehmen darüber nachdenken, wie sie mit Hilfe der Digitaltechnik, wozu auch die KI zählt, Zeit und Geld sparen können? In ihnen zeugt es von einer gewissen Naivität, wenn Dienstleister glauben „Dieser Kelch geht an mir (bzw. uns) spurlos vorüber“.
Neukunden und Aufträge lassen sich nicht über Nacht akquirieren
Viele B2B-Dienstleister verdrängen zudem, dass sie keine „Schnelldreher“ verkaufen, die Kunden spontan kaufen – zum Beispiel, weil sie gerade Lust darauf haben. Vielmehr erstreckt sich die Akquise von Neukunden und Aufträgen zum Beispiel im Beratungsmarkt in der Regel über Monate oder gar Jahre. Deshalb sollte gerade bei B2B-Dienstleistern die Marktbearbeitung (also Kombination von Marketing und Vertrieb) ein kontinuierlicher Prozess bzw. ein integraler Bestandteil der Alltagsarbeit und kein „Saisonjob“ sein, damit sie, wenn überraschend Kunden wegbrechen, zumindest bereits einige angewärmte potenzielle Neukunden in der Pipeline haben und nicht mit dem Kontakt- und Beziehungsaufbau sozusagen ganz am Anfang stehen.
Der wichtigste und entscheidende Punkt ist jedoch: Viele B2B-Dienstleister wie selbstständige Berater haben, obwohl sie Unternehmer sind, noch nicht verinnerlicht, dass das Marketing und der Vertrieb Kernprozesse in jedem Unternehmen sind.
Deshalb ist und bleibt es ihr Job als Unternehmer, sich darum zu kümmern. Das heißt, die Verantwortung für das Marketing und den Vertrieb – bzw. die Marktbearbeitung – lässt sich weder an externe Dienstleister noch an irgendwelche administrativen Mitarbeiter delegieren. Diese können sie maximal beim Wahrnehmen dieses Jobs unterstützen und ihnen gewisse Teilaufgaben – wie das Versenden von Mailings, das Platzieren von Presseartikeln, das Optimieren der Webseite – abnehmen. Die Verantwortung für die Kernaufgabe Marketing und Vertrieb – also dafür, dass letztendlich ausreichend Geld in der (Firmen-)Kasse klingelt – tragen jedoch sie.
B2B-Dienstleister brauchen eine gewisse Marketing- und Vertriebskompetenz
Deshalb sollten B2B-Dienstleister gleich welcher Couleur im Marketing- und Vertriebsbereich auch zumindest so viel Kompetenz und Erfahrung haben, dass sie bezogen auf die Vorschläge ihrer (potenziellen) externen Unterstützer zumindest eine Bewertungskompetenz haben – also beurteilen können, inwieweit deren (Werbe-)Versprechen realistisch und Marketing-Vorhaben zielführend sind. Ansonsten lassen sie sich (speziell, wenn sie in Panik geraten) von diesen jeden gerade gehypten „Müll“ aufschwatzen. Mit der Konsequenz, dass ihre stets begrenzten Werbemittel zwar rasch aufgebraucht sind, ihre Auftragsbücher aber weiterhin große Löcher aufweisen.
Über den Autor:
Bernhard Kuntz ist der PRofilBerater GmbH, Darmstadt, die Bildungs- und Beratungsanbieter beim (Online-)Marketing unterstützt. Er ist Autor u.a. der Bücher „Die Katze im Sack verkaufen“, „Fette Beute für Trainer und Berater“ und „Warum kennt den jeder?“.





















