Service Excellence als strategischer Erfolgsfaktor

Service Excellence als strategischer Erfolgsfaktor
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Aktuell bauen viele Hersteller von Investitionsgütern ihren Service aus, um mittel- und langfristig zu den Top-Playern in ihrem Markt zu zählen. Wie ihnen dies gelingt, beschreibt der nachstehende Projektbericht am Beispiel eines Maschinenbauunternehmens.

„Wenn wir mittel- und langfristig zu den Top-Anbietern in unserem Markt zählen möchten, müssen wir unseren Service ausbauen und ihn aus Kundensicht exzellent gestalten.“ Dies erkannte das Top-Management eines global agierenden Maschinenbauers mit Hauptsitz in Deutschland bereits im Jahr 2012. Deshalb führte der Konzern in den Folgejahren unterstützt vom Machwürth Team International (MTI) ein „Customer in Focus“ genanntes Projekt durch. In ihm schulte er weltweit seine Vertriebs- und Servicemitarbeiter in den Bereichen Kundenkommunikation und -bindung sowie Servicequalität – auch mit dem Ziel, sich durch einen exzellenten Service, der sich über die gesamte Lebensdauer der von dem Maschinenbauer produzierten Güter erstreckt, sich aus Kundensicht positiv von den Mitbewerbern abzuheben.

Dieses Projekt, das unter anderem darauf abzielte, dass

  • der Vertriebs- und Servicebereich enger kooperieren und
  • die Vertriebsmitarbeiter sich von Produktverkäufern zu Buying- bzw. Business-Consultants entwickeln, die das Geschäft ihrer Kunden und deren Herausforderungen verstehen,

war erfolgreich. Die vorab definierten KPIs, also Erfolgsparameter, zeigten unter anderem, dass

  • die Serviceorientierung des Unternehmens aus Sicht der Kunden und damit deren Zufriedenheit steigt,
  • zwischen dem Vertriebs- und Servicebereich ein intensiverer Informationsaustausch erfolgt und
  • der mit Serviceleistungen erzielte Umsatz und Ertrag zwar langsam, aber kontinuierlich steigt.

Erkenntnis: Nötig ist außer Schulung ein Kulturwandel.

Trotzdem verstärkte sich bei den Top-Entscheidern im Unternehmen zunehmend das Gefühl: „Um unsere langfristigen Entwicklungsziele zu erreichen, genügt es nicht, unsere Vertriebs- und Servicemitarbeiter zu schulen und deren Mindset partiell zu verändern.“ Dieses latente vorhandene Gefühl schlug im ersten Corona-Jahr, also 2020 in die Erkenntnis um: „Wenn wir langfristig zu den Top-Playern in unserem Markt zählen möchten, müssen wir

  • uns in ihm teilweise neu positionieren,
  • als Gesamtorganisation ein neues Selbstverständnis entwickeln und
  • einen entsprechenden Kulturwandel in ihr herbeiführen.“

Eine zentrale Ursache hierfür war: In dieser Zeit, in der teilweise die Lieferketten zusammenbrachen und eine Kommunikation mit den Kunden weitgehend nur telefonisch und digital möglich war, war in der Organisation des Maschinenbauers bereichs-, hierarchie- und sogar länderübergreifend spürbar:

  • Die Bedürfnisse unserer Kunden nicht nur im Bereich Kommunikation und Betreuung, sondern auch Service ändern sich massiv – eine Entwicklung, die zuvor eher schleichend verlief. Und:
  • Die Digitaltechnik wird künftig außer bei unserer Leistungserbringung, auch bei unserer Marktbearbeitung eine immer größere Rolle spielen.

Entsprechend ausgeprägt war das Gefühl: Wir müssen handeln!

Ein neues Selbst- und Serviceverständnis entwickeln

Deshalb entschied die Unternehmensleitung, konzernweit ein Changeprojekt zu starten, bei dem auch das Thema Service neu gedacht wird. Um dieses zu planen, zogen sich die Top-Entscheider zwei Tage vom Tagesgeschäft zurück und debattierten – moderiert von MTI-Beratern – unter anderem über folgende Fragen:

  • Inwiefern werden sich die Erwartungen der Kunden in den kommenden Jahren an uns ändern – unter anderem aufgrund der technologischen Entwicklung und der veränderten gesellschaftlichen und (wirtschafts-)politischen Rahmenbedingungen?
  • Welche Rolle spielen hierbei die fortschreitende Digitalisierung und Automatisierung und die sich abzeichnende verstärkte KI-Nutzung?
  • Welche Auswirkung hat dies auf die Serviceerwartung unserer Kunden und darauf, wie sich unser Kontakt zu ihnen gestaltet? Und:
  • Was verstehen wir als Unternehmen fortan mit Blick auf unsere Zielkunden und Entwicklungsziele unter einem exzellenten Service?

Zudem befassten sich die Retreat-Teilnehmer mit der Frage, wie die angestrebte Service-Excellence im Betriebsalltag gewährleistet werden kann – auch mittels einer verstärkten IT-Nutzung. Dabei wurde rasch klar: Eine technische Excellence und Prozess-Excellence allein genügen hierfür nicht. Sie sind sozusagen nur die Grundvoraussetzung für einen exzellenten Service. Erfolgsentscheidend sind vielmehr, weil das Business des Konzerns weitgehend ein Projektgeschäft ist, bei dem viele Services auch künftig von Menschen für Menschen erbracht werden, auch solche Soft-Faktoren wie Kundenzentrierung und Kommunikation sowie ein lösungsorientiertes Denken und proaktives Handeln.

Aufbauend auf diesen Erkenntnissen traf der Vorstand unter anderem folgende strategischen Entscheidungen:

  • Der Service soll künftig ein integraler Bestandteil unseres Produkt- und Leistungsportfolios sein. Und:
  • Wir wollen 2030 ein Drittel unseres Umsatzes und die Hälfte unseres Gewinns mit Serviceleistungen erzielen.

Das heißt, der Service wurde vom Vorstand als der künftige Margentreiber gesehen. Zudem entschied der Vorstand:

  • Wir starten konzernweit ein Personal- und Organisationsentwicklungsprogramm mit dem Titel „Professional Customer Service“, um diese Ziele zu erreichen, und
  • dessen Fokus soll auf allen Bereichen liegen, die am Vermarkten und Erbringen unserer Serviceleistungen in der gewünschten Qualität direkt oder indirekt beteiligt sind.

Veränderte Serviceerwartungen analysiert und neue „Services“ definiert

Um die Voraussetzungen für die angestrebte Neuausrichtung zu schaffen, wurden in allen Ländern, in denen der Konzern Niederlassungen hat, Workshops mit den Top-Entscheidern und ausgewählten Experten – auch aus dem IT-Bereich – durchgeführt. In ihnen diskutierten die Teilnehmer erneut, nachdem sie vom Vorstand über dessen Beschlüsse und die damit verbundenen Ziele informiert worden waren, unter anderem folgende Fragen:

  • Welche Serviceerwartungen werden unsere Zielkunden künftig an uns haben?
  • Welche Serviceleistungen könnten wir ihnen mittel- und langfristig offerieren?
  • Welche dieser Serviceleistungen könnten wir mit Hilfe der IT-Technik (wozu auch die KI zählt) weitgehend digitalisieren/automatisieren?
  • Welche Servicepakete könnten wir aus den Einzelleistungen für unsere verschiedenen Kundengruppen schnüren? Und:
  • Wie sollten wir die Serviceleistungen bzw. -pakete bepreisen?

Die Ergebnisse der Workshops wurden von einer Projektgruppe, die das Gesamtprojekt leitete, ausgewertet. Hierauf aufbauend schnürte sie Bündel potenzieller Serviceleistungen bzw. Services nebst Vorschlägen für deren mögliche Bepreisung. Nach diesen Vorarbeiten wurden die Key-Accounter in den verschiedenen Ländern gebeten, mit Schlüsselkunden Gespräche darüber zu führen:

  • Welche Serviceerwartungen sie in naher Zukunft an ihr Unternehmen als „First Tier“, also Systemlieferant, und „Second Tier“, also Teilelieferant, haben?
  • Über welchen Serviceleistungen sie sich freuen würden, weil sie ihnen als Person oder Organisation die Arbeit oder Zielerreichung erleichtern und somit einen echten Mehrwert bieten?
  • Wie attraktiv die vom Konzern angedachten Serviceleistungen für sie wären? Und:
  • Welchen Preis sie gegebenenfalls – aufgrund des ihnen gebotenen Mehrwerts – bereit wären hierfür zu bezahlen?

Diese Infos flossen an die Projektgruppe zurück, die hierauf aufbauend im Dialog mit dem Vorstand und den betroffenen Bereichen die Palette der künftig angebotenen Serviceleistungen und -pakete definierte.

Pilotprojekt mit integriertem Qualifizierungsprogramm gestartet

Nach diesen Vorarbeiten wurde entschieden, in einem Land ein Pilotprojekt zur Einführung der neuen Marktbearbeitungsstrategie durchzuführen. Die Wahl fiel auf die Niederlande – wegen ihrer überschaubaren Größe und weil

  • in den dortigen Niederlassungen die für das Erbringen vieler neuer Services erforderliche (IT-)technische Infrastruktur bereits weitgehend existierte und
  • die dortigen Vertriebsmitarbeiter das Bewusstsein, als Verkäufer ein Buying- bzw. Business-Consultant zu sein, schon weitgehend verinnerlicht hatten.

Dessen ungeachtet wurde jedoch im Rahmen des Gesamtprojekts vor Beginn des Pilotprojekts mit MTI-Unterstützung ein umfassendes Personalentwicklungs- und Qualifizierungsprogramm für die Mitarbeiter aller Business-Units konzipiert, die am Erbringen und Vermarkten der Serviceleistungen beteiligt sind.

Wichtig war der Konzernleitung dabei, dass das Lernen zwar auch in Präsenzseminaren jedoch primär online erfolgt – damit auch ein zeit- und ortsunabhängiges Lernen der Teilnehmer möglich ist und das Entstehen einer neuen Lernkultur im Unternehmen gefördert wird, weil so der Verstand „Der Lernbedarf in unserer Organisation kontinuierlich steigt“. Wichtig war der Unternehmensleitung zudem, dass

  • die Führungskräfte der Mitarbeiter in das Mitarbeiterqualifizierungsprogramm eingebunden sind und
  • alle Schulungen möglichst praxisnah erfolgen und mit Feedbackschleifen verbunden sind.

Führungskräfte sind Lerncoachs und -partner ihrer Mitarbeiter

Deshalb wurde beispielsweise entschieden, dass die Vertriebsmitarbeiter, bevor sie einem (potenziellen) Kunden die neuen Serviceleistungen vorstellen und versuchen, diesen für deren Kauf zu erwärmen, das Vorgehen hierbei mit ihren Führungskräften planen – und zwar abhängig davon, ob ihr Gegenüber zum Beispiel

  • ein Bestands- oder Neukunde ist,
  • welche Ziele dieser verfolgt und
  • vor welchen Herausforderungen er gerade steht.

Und nach den Gesprächen erfolgt eine Evaluierung von diesen mit den Führungskräften, um zu ermitteln,

  • was warum gut lief bzw. was besser hätte laufen können und
  • was bei dem Zielkunden die nächsten Schritte sein sollten,

denn der Unternehmensleitung war klar: Die wenigsten unserer Kunden werden unsere neuen Serviceleistungen sofort kaufen. Vielmehr geht diesem Beschluss einer längerer Kaufentscheidungsprozess voraus, in dem den Zielkunden immer wieder deren Mehrwert für ihre Organisation aufgezeigt werden muss. Deshalb entschied der Maschinenbauer: In alle Schulungen, auch die technischen soll ein Verhaltenstraining integriert sein, denn die Technik ist letztlich nur ein Tool, das Personen und Organisationen hilft, ihre Ziele zu erreichen.

Das entsprechend konzipierte Qualifizierungsprogramm startete im Herbst 2022. In dessen Verlauf fand eine prozessbegleitende Evaluierung statt. Sie zeigte: Die Kombination aus gezieltem Präsenz- und Online-Lernen bei fortlaufender Führungskräfteeinbindung und kontinuierlichem Feedback wirkt. Sie zeigte aber auch: Im hektischen Tagesgeschäft kommen das Coachen der Mitarbeiter durch die Führungskräfte und Führen von Entwicklungsgesprächen oft zu kurz. Deshalb bedarf es zusätzlicher Unterstützungsmaßnahmen für die Führungskräfte, um den Transfer zu sichern.

Das Programm trug auch betriebswirtschaftlich Früchte. Das zeigten die KPIs des Pilotprojekts. Sie belegten, dass

  • die Mitarbeiter deutlich mehr Zeit auf das Betreuen der Zielkunden verwenden,
  • der Maschinenbauer im Markt immer stärker auch als Service-Provider wahrgenommen wird und
  • der mit Serviceleistungen erzielte Umsatz sprunghaft steigt.

Changeprojekt und Trainingsprogramm werden weltweit ausgerollt

Deshalb entschied der Vorstand im Frühjahr 2024, das Projekt sukzessiv weltweit auszurollen. Aktuell läuft das mit ihm verbundene Mitarbeiterqualifizierungsprogramm in vierzehn Ländern – darunter auch die außereuropäischen Staaten USA, Brasilien, Indien, China, Thailand und Australien. Dieses wurde vorab von den MTI-Beratern und den regional Verantwortlichen stets kulturell für die jeweilige Region adaptiert. Dies – und dass die Trainings alle in der jeweiligen Landessprache stattfinden – sorgt für eine hohe Akzeptanz bei den Teilnehmern und einen hohen Transfer in den Alltag, was sich wiederum auf den Erfolg des Gesamtprojekts auswirkt.

Dieser entspricht den Erwartungen des Vorstands. Deshalb ist der Maschinenbauer zuversichtlich, dass er seine Entwicklungsziele erreicht, nämlich

  • künftig von seinen Zielkunden als ganzheitlicher, prozessbegleitender Unterstützer beim Erreichen der Unternehmensziele wahrgenommen zu werden und
  • 2030 ein Drittel seines Umsatzes und die Hälfte seines Gewinns mit Serviceleistungen zu erzielen.

Oder anders formuliert: Das Unternehmen fühlt sich für die Herausforderungen der Zukunft gewappnet und agiert entsprechend selbstbewusst in seinem Markt.

Über den Autor:

Machwurth, Hans-PeterHans-Peter Machwürth ist Geschäftsführer des international agierenden Trainings- und Beratungsunternehmens Machwürth Team International (MTI Consultancy), Visselhövede, das Unternehmen weltweit unter anderem beim Steigern ihrer Sales- und Service-Excellence unterstützt und ihren Mitarbeitern die hierfür erforderlichen Kompetenzen vermittelt.

 
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