Viele Menschen reagieren sehr sensibel, wenn ihre Selbstbestimmung real eingeschränkt wird oder sie dies befürchten. Dieses Reaktanz genannte Phänomen sollten Führungskräfte kennen, um beispielsweise unnötige Widerstände gegen Veränderungen zu vermeiden.
„Warum reagiert mein Gegenüber so reserviert oder gar eindeutig negativ?“ Das fragen wir uns oft, wenn wir im Gespräch mit Menschen ein Anliegen oder Vorhaben artikulieren und diese hierauf nicht so zustimmend wie erhofft reagieren.
Eine häufige Ursache hierfür ist ein psychologisches Phänomen, das Sozialpsychologen als Reaktanz bezeichnen. Hierbei handelt es sich um eine Reaktion, die bei Menschen ganz unbewusst ausgelöst wird, wenn
- ihre Autonomie eingeschränkt wird oder
- sie das Gefühl haben, diese sei bedroht.
Dann zeigen speziell Personen oft eine starke Abwehrreaktion,
- denen ihre individuelle Freiheit und Selbstbestimmung sehr wichtig sind und
- die sich deshalb einen großen Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum wünschen.
Dies soll zum Beispiel – glaubt man den Experten – bei den Angehörigen der Generation Z gehäuft der Fall sein.
Was ist psychologische Reaktanz?
Der Begriff „psychologische Reaktanz“ geht auf den US-amerikanischen Psychologen Jack W. Brehm zurück. Er bezeichnet die natürliche Tendenz von Menschen, Widerstand oder Ablehnung gegenüber Handlungen, Ideen und Vorschlägen zu zeigen, die ihre Autonomie bzw. Entscheidungs- und Handlungsfreiheit einzuschränken scheinen. Hierfür einige Beispiele:
- Ein Freund sagt zu Ihnen: „Du solltest weniger fett essen und mehr Sport treiben. Das würde deiner Gesundheit gut tun.“ Oder:
- Ein Kollege schwärmt Ihnen von einem neuen Online-Tool vor und sagt zu Ihnen: „Das musst du unbedingt mal ausprobieren.“ Oder:
- Ihr Vorgesetzter sagt in einer Teamsitzung: „Wir sollten künftig verstärkt solche KI-Tools wie ChatGPT im Vertrieb nutzen. Das Unternehmen xy hat damit tolle Erfahrungen gemacht.“
In all diesen Situationen kann bei uns das Gefühl entstehen, wir sollen zu etwas veranlasst oder genötigt werden. Folglich besteht auch die Gefahr, dass wir auf den Impuls negativ reagieren, selbst wenn unsere Selbstbestimmung gar nicht eingeschränkt werden soll. Beobachten konnte man dieses Phänomen oft in der Coronazeit; außerdem in der Debatte um den Einbau von Wärmepumpen. Auch bei ihr hatten nicht wenige Bürger das Gefühl: Die Politiker mischen sich zu stark in unser Leben ein; sie schränken unsere Freiheit ein. Also zeigten sie Widerstand.
Psychologische Reaktanz in der Arbeitswelt
Führungskräfte sollten das Phänomen „psychologische Reaktanz“ kennen, denn es führt im Betriebs- und Führungsalltag immer wieder zu Missverständnissen und Konflikten – und zwar speziell dann, wenn Veränderungen anstehen. Nicht nur Einzelpersonen, sondern auch ganze Bereiche können dann gegen die (mögliche) Veränderung – sei diese technologischer, struktureller oder kultureller Art – emotionale Widerstände zeigen, insbesondere, wenn sie das Gefühl haben: Wir werden nicht ausreichend gehört.
Vermieden werden können solche Effekte unter anderem durch
- eine angemessene Information,
- die aktive Beteiligung der Betroffenen an der Entscheidung und Prozessgestaltung und
- nicht selten Schulungen und Coachings.
Besonders wichtig ist die Möglichkeit zur Partizipation. Wenn Mitarbeitende die Chance haben, aktiv an den Entscheidungsprozessen mitzuwirken und in diese ihre Meinungen einzubringen, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie Veränderungen positiv aufnehmen und mit ihnen konstruktiv umgehen.
Die Reaktanz im Führungsalltag minimieren
Wichtig ist auch: Wie wird die potenziell als bedrohlich empfundene Information übermittelt? Es empfiehlt sich zum Beispiel, solche Worte wie „müssen“ oder „sollen“ zu vermeiden, die eine Verpflichtung oder Alternativlosigkeit beinhalten oder suggerieren. Zielführender sind Formulierungen, die die Freiheit zur Entscheidung und Wahlmöglichkeiten unterstreichen.
Zudem sollten solche Informationen den Mitarbeitenden – sofern möglich – nicht schriftlich, sondern mündlich übermittelt werden. Denn dann können die Führungskräfte
- unmittelbar auf die Empfindungen der Betroffenen reagieren und
- deren Befürchtungen eventuell auflösen
und so verhindern, dass aus ihnen manifeste Widerstände werden.
Dies gilt insbesondere dann, wenn aus der im Raum stehenden Veränderung schon ein Konflikt erwachsen ist. Dann sollte die Führungskraft im Dialog mit den Betroffenen erkunden, inwieweit deren Widerstand seine Wurzeln eventuell darin hat, dass diese sich in ihrer Autonomie bedroht fühlen – zum Beispiel, weil ihre Interessen (aus ihrer Warte) nicht ausreichend berücksichtigt werden, was sie auch als einen Mangel an Wertschätzung empfinden.
Mangelndes Vertrauen verstärkt Reaktanz
Ist dies der Fall, dann ist es die Aufgabe der Führungskraft, im Gespräch mit den Betroffenen dieses Gefühl, soweit möglich, aufzulösen – zum Beispiel mit dem Versprechen „Künftig werde ich …“ bzw. „Künftig werden wir anders agieren, wenn …“. Dieses Versprechen gilt es auch einzulösen; sonst wird die Vertrauensbasis zwischen Führungskraft und Mitarbeiter bzw. Unternehmensführung und Belegschaft nachhaltig gestört.
Das heißt, die Mitarbeiter beäugen das Tun ihrer Vorgesetzten noch kritischer als bisher und zeigen auch schneller eine psychologische Reaktanz. Mit der Folge, dass Veränderungsvorhaben noch häufiger auf Widerstände stoßen, und das Management vermehrt mit Akzeptanz- und Umsetzungsproblemen kämpft.
Autorin: Sabine Prohaska
Stimmt Eigentlich Alles! Bemerkung noch dazu: gerade gelesen: Das 4 Augen/Ohren Modell von Friedrich von Thun geht noch näher auf diese Problematik ein und bietet nähere Hinweise die Situationen zu beachten. 😉