Top-Manager müssen Team-Player werden

Top-Manager müssen Team-Player werden
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Auf die Top-Ebene von Unternehmen gelangen meist nur Personen, die ihre Exzellenz schon oft bewiesen haben. Entsprechend ausgeprägt ist ihr Selbstbewusstsein. Das erschwert es den Top-Executives oft, gemeinsam ein Hochleistungsteam zu bilden.

Wer wird Geschäftsführer eines größeren Unternehmens oder gar Vorstandsmitglied eines Konzerns? In der Regel gelangen nur Personen in solche Positionen, die in ihrer beruflichen Biografie schon oft bewiesen haben, dass sie weit Überdurchschnittliches leisten können und wollen. Trotzdem scheitern immer mehr Unternehmensführer. Sie müssen entweder vorzeitig gehen oder ihr Kontrakt wird nicht verlängert. So erreicht heute zum Beispiel nur noch jeder zweite Konzern-Vorstand das Ende seiner zweiten Amtszeit. Und immer häufiger werden aus Top-Managern, die noch vor Kurzem gefeiert wurden, scheinbar über Nacht „Versager“.

Das Management stößt an seine Grenzen

Die Hauptursachen hierfür sind die fortschreitende Globalisierung und digitale Transformation der Wirtschaft. Durch sie wurden die Aufgaben vieler Unternehmensführer so komplex, dass sie nur noch bedingt gemanagt werden können. Häufig können die Top Executives nur eine Risiko-Minimierung betreiben und die Dilemmata, vor denen sie bei ihrer Arbeit stehen, stets neu ausbalancieren. Dasselbe gilt für die oft widersprüchlichen Interessen der Stakeholder wie Anteilseigner und Banken, Kunden und Mitarbeiter.

Hierfür müssen die Unternehmensführer sicherstellen, dass in ihrer Organisation in den Schlüsselpositionen die richtigen Personen sitzen. Doch dies allein genügt nicht. Die Top-Entscheider in den Unternehmen müssen zudem ein Hochleistungsteam bilden, denn als heroische Einzelkämpfer können sie in der von rascher Veränderung und sinkender Planbarkeit geprägten VUKA-Welt die Erwartungen der Stakeholder zumindest längerfristig in der Regel nicht erfüllen.

Top-Manager müssen Team-Player werden

Doch in die Top-Etagen zumindest der Großunternehmen gelangen in der Regel nur „Alpha-Tiere“ – Frauen und Männer also, die aktiv Führungsverantwortung suchen. Und auf ihrem Weg nach oben beweisen sie immer wieder, dass sie Organisationen erfolgreicher führen können als ihre Konkurrenten – dank ihrer analytischen Intelligenz, ihrer Leistungsfähigkeit und -bereitschaft sowie Durchsetzungsstärke. Das prägt ihr Selbstbild und ihre Sicht auf Menschen, Situationen und Konstellationen. Entsprechend ungeduldig und unduldsam reagieren sie oft. Und entsprechend dominant, ja zuweilen einschüchternd ist für ihr Umfeld oft ihr Auftritt.

Doch dann sind sie an der Spitze und ihre engsten Mitstreiter sind plötzlich ebenfalls „Alpha-Tiere“. Und mit ihnen müssen sie ein Hochleistungsteam bilden. Das erfordert von den Top Executives teils andere Fähigkeiten, als sie auf dem Weg nach oben bewiesen haben. Denn nun müssen sie andere Menschen inspirieren und dazu motivieren, sofern nötig, gewohnte Pfade zu verlassen. Das haben sie zwar auch zuvor getan. Doch nun ist dies eine ihrer Kernaufgaben. Und ihre Gegenüber sind wie sie „Alpha-Tiere“. Entsprechend vielfältig sind oft die Reibungspunkte auf der Top-Ebene von Unternehmen. Trotzdem müssen die Top-Entscheider kooperieren – und dies, obwohl sie qua ihrer Persönlichkeitsstruktur meist eher Einzelkämpfer als Teamplayer sind.

Einzelkämpfertum schmälert Wirksamkeit als Team

Das erschwert es den Top Executives oft, gemeinsam die optimale Wirkung zu entfalten. Doch dies ist ihnen häufig nicht bewusst. Deshalb kontaktieren Top-Manager zum Beispiel selten Berater mit Anfragen wie: Können Sie mich (und meine Kollegen) dabei unterstützen, mehr Teamspirit zu entfalten?

Der offizielle Anlass für die Kontaktaufnahme ist stets ein betriebliches Problem – zum Beispiel:

  • „Unsere Organisation ist nicht innovativ genug.“ Oder:
  • „Unser Unternehmen muss agiler werden.“ Oder:
  • „Wir müssen unser Geschäftsmodell überdenken.“

Nach entsprechenden Kriterien wählen sie auch die Berater aus: Die Top Executives müssen ihnen zutrauen, einen realen Beitrag zum Meistern der Herausforderungen, vor denen ihre Organisation steht, zu leisten.

Alpha-Tiere wollen von Alpha-Tieren beraten werden

Diese Kompetenz schreiben Unternehmensführer meist nur Personen zu, die eine ähnliche Biografie wie sie haben. Das heißt zum Beispiel für Berater, die auf der CEO-Ebene multinationaler Konzerne agieren möchten: Ihre Biografie muss eine gewisse Internationalität aufweisen. Und ihr Lebenslauf sollte „brands“ enthalten, die aus Sicht der Unternehmensführer für „Excellence“ stehen“. Dazu zählen Universitäten wie Harvard und Consultingunternehmen wie McKinsey. Und im Idealfall haben sie mehrere Jahre auf der Top-Ebene von Unternehmen gearbeitet, die in den Augen der Top Executives echte „High Performer“ sind – wie aktuell zum Beispiel die Internet-Giganten aus dem Silicon Valley.

Eine solche Biografie sorgt jedoch nur dafür, dass das Alpha-Tier an der Unternehmensspitze dem Berater fünf oder zehn Minuten Aufmerksamkeit schenkt. In dieser Zeit muss der Consultant dem Top Executive das Gefühl vermitteln: Ich ticke ähnlich wie Sie; ich spreche Ihre Sprache und bin ähnlich „tough“ wie Sie. Dies gelingt Beratern nicht, indem sie potenziellen Kunden nach dem Mund reden. Im Gegenteil! Die Top-Entscheider wollen spüren: Mir steht eine Person mit Rückgrat gegenüber. Denn nur dann trauen sie einem Berater zu, sie und ihre Kollegen zu fordern.

Auf den Punkt gebracht bedeutet dies: Alpha-Tiere wollen von Alpha-Tieren beraten werden. Nur Menschen mit einer solchen Ausstrahlung akzeptieren sie als Sparringpartner. Haben sie eine Person jedoch als „ebenbürtig“ akzeptiert, messen sie deren Aussagen Bedeutung bei. Denn Alpha-Tiere wollen etwas bewegen und Spuren hinterlassen. Deshalb sind sie auch an einer klaren Rückmeldung interessiert, wie sie ihre Wirksamkeit erhöhen können.

Ziel: die Wirksamkeit erhöhen

Beim Coachen von oberen Führungskräften geht es in der Regel jedoch nicht darum, bei diesen individuelle Schwächen zu beseitigen. Denn als Individuen sind die Top Executives bereits spitze. Das Ziel lautet vielmehr, ihre Wirksamkeit zu erhöhen. Dies erfordert zunächst Klarheit darüber, wie wirkt der betreffende Top-Manager auf sein Umfeld und welche Verhaltensweisen schmälern seine Wirksamkeit. Also gilt es das Feedback seiner Kooperationspartner einzuholen – zum Beispiel mittels Interviews. Doch nicht nur dies. Den Partnern der betreffenden Person muss anschließend auch mitgeteilt werden:

  • Was sind die ermittelten „Knackpunkte“? Und:
  • An welchen Punkten sowie mit welchem Ziel möchte der Top Executive sein Verhalten ändern?

Denn nichts verunsichert Kollegen und Mitarbeiter so sehr, wie wenn ein Unternehmensführer plötzlich, scheinbar unmotiviert sein Verhalten ändert. Dann wird er für sie unberechenbar.

Ähnlich verhält es sich, wenn die Wirksamkeit eines Top-Teams erhöht werden soll. Auch dann ist eine gewisse Offenheit nötig, denn hierfür müssen die Dynamiken durchbrochen werden, die dem Erfolg im Weg stehen. Dies ist nur möglich, wenn im Team auch die individuellen und kollektiven Verhaltensmuster thematisiert werden, die dessen Performance schmälern.

Berater muss die „Leader-Rolle“ übernehmen

Ein Beispiel. Angenommen der Vorstand oder die Geschäftsführung eines Unternehmens hat das diffuse Gefühl: Unser Führungsteam arbeitet nicht optimal zusammen und die Disharmonien wirken sich negativ auf das Ergebnis aus. Dann sollte zum Beispiel in Einzelinterviews zunächst ermittelt werden:

  • Wie arbeiten die Top Executives zusammen?
  • Wie werden Entscheidungen getroffen und kommuniziert?
  • Von welchen Denk- und Verhaltensmustern lassen sie sich leiten? Und:
  • Wie wirkt sich das Verhalten auf ihre Kollegen und Mitarbeiter aus?

Liegen die Ergebnisse vor, kann ein Workshop mit den Top Executives stattfinden. In ihm muss der Berater ein klares Agenda-Setting betreiben. Das heißt, er muss den Teilnehmern zunächst vermitteln, worum es geht – beispielsweise darum, dass die Leiter aller Bereiche so zusammenarbeiten, dass

  • die Chancen, die sich aus der digitalen Transformation der Wirtschaft ergeben, überhaupt genutzt werden können, oder
  • das Unternehmen tatsächlich Marktführer im Bereich … werden kann.

Danach kann der Berater die Ergebnisse der Interviews oder des Team-Assessments präsentieren und aufzeigen, wo das Führungsteam bereits spitze ist und wo noch Soll-Ist-Abweichungen bestehen.

Liegt der Befund auf dem Tisch, muss der Berater dem Team verdeutlichen, welchen Fragen es sich stellen muss, um seine Leistung zu steigern und sicherzustellen, dass das übergeordnete Ziel – zum Beispiel „Marktführer werden“ – erreicht wird. Der Berater muss in dem Workshop also die Rolle des Leaders übernehmen, der das Team dazu treibt, das zu tun, was nötig ist, um die geforderten oder angestrebten Ergebnisse zu erzielen.

Top-Executives sind zum Sich-verändern bereit

Angenommen die Analyse ergab: Die Mitglieder der Führungsmannschaft misstrauen sich – was in Top-Teams häufiger der Fall ist. Dann bewirkt es wenig, wenn der Berater mit den Top Executives in Vier-Augen-Gesprächen hierüber spricht. Die Führungskräfte müssen sich vielmehr an einen Tisch setzen und gemeinsam darüber sprechen, welche Faktoren und Verhaltensmuster bei ihnen das Misstrauen bewirken. Denn nur dann können sie sich auf (Verhaltens-)Änderungen „committen“, die allmählich zu mehr Vertrauen führen.

Von den Managern erfordert ein solches „Sich öffnen“ Mut. Doch zu diesem Schritt sind die meisten Top Executives bereit, denn als Alpha-Tiere haben sie die Maxime „No pain, no gain“ verinnerlicht. Deshalb nehmen sie auch schmerzhafte Schritte in Kauf, sofern dies für das Erreichen des Ziels nötig ist.

„Schwarze Schwäne“ erfordern Hochleistungsteams

Dies ist im sogenannten digitalen Zeitalter immer häufiger der Fall, denn dieses ist nicht nur von rascher Veränderung geprägt. In ihm treten auch häufiger unvorhergesehene Ereignisse ein, die die Rahmenbedingungen des wirtschaftlichen und/oder unternehmerischen Handels fundamental ändern. Der libanesische Philosoph und Mathematiker Nassim Taleb nannte sie „Schwarze Schwäne“.

Ein solcher schwarzer Schwan war die Finanz- und Bankenkrise 2008; für viele international agierende oder exportorientierte Unternehmen auch die Brexit-Entscheidung der Briten und der Wahlsieg des Protektionisten Donald Trupp. Für nicht wenige Automobilindustrie-Zulieferer war zudem die Dieselaffäre ein schwarzer Schwan – weniger, weil die Ursachen von dieser für sie überraschend waren, sondern weil sie mit denen gesellschaftlichen Reaktionen auf das Bekanntwerden der „Schummeleien“ der Autoindustrie nicht gerechnet hatten.

Solche Ereignisse zwingen die betroffenen Unternehmen oft, wenn nicht ihre Geschäftsmodelle, so doch ihre Strategien zumindest teilweise über Bord zu werfen und das Ruder in der Organisation in kurzer Zeit herumzureißen. Das gelingt einem Unternehmen nur, wenn sein Top-Team wirklich ein Team und nicht nur ein Ansammlung exzellenter Einzelkämpfer ist. Einen entsprechenden Mindset gilt es folglich auf der Top-Ebene von Unternehmen zu entwickeln.

Über den Autor:

Kraus, GeorgDr. Georg Kraus ist geschäftsführender Gesellschafter der Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal. Der diplomierte Wirtschaftsingenieur ist Autor mehrerer Change- und Projektmanagement-Bücher und berät und coacht u.a. die Vorstände von Unternehmen. Er ist Lehrbeauftragter an der Universität Karlsruhe und der IAE in Aix-en-provence (F) und Professor an der technischen Universität Clausthal.

 
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