Neue Kunden gibt es auf dem Beratungsmarkt (fast) nicht!

Neue Kunden gibt es auf dem Beratungsmarkt nicht
Westend61 / Sarah Kastner
Lesedauer: 4 Minuten

Berater, die im B2B-Bereich tätig sind, müssen häufig Kunden von ihren Konkurrenten abwerben, um ihren Umsatz zu steigern. Manchmal ist die Fähigkeit dazu sogar überlebenswichtig, z.B. wenn sich ihr Markt im Umbruch befindet.

Ein Unternehmen geht pleite. Ein anderes fusioniert. Und in einem anderen wechseln die Top-Entscheider und wollen „neue Akzente“ setzen.

Solche Veränderungen prägen den Markt. Deshalb verlieren Unternehmen, die im B2B-Bereich tätig sind, auch in wirtschaftlich guten Zeiten immer wieder Kunden. Und in eher schlechten Zeiten oder Zeiten des Marktumbruchs beschleunigen sich diese Prozesse. Damit stellt sich für ihre Zulieferer, zu denen auch Dienstleister wie Berater, Trainer und Coaches gehören, verstärkt die Frage: Wie und mit wem erzielen wir zukünftig die angestrebten Umsätze?

Kernfrage: Wie erziele ich als Berater den nötigen Umsatz?

Nach der Formel „Umsatz = Menge x Preis“ gibt es dafür folgende Möglichkeiten:

mehr an Bestandskunden verkaufen oder
bei gleicher Liefermenge höhere Preise erzielen oder
neue Kunden gewinnen.

Höhere Preise oder Honorare zu erzielen ist in Zeiten geringer Nachfrage oft schwierig (selbst wenn die Preiserhöhung nur die gestiegenen Kosten ausgleicht). Um ihren Umsatz zu halten oder gar zu steigern, gehen Industriedienstleister wie Berater daher häufig den vermeintlich einfacheren Weg: Sie versuchen, den Lieferumfang bei bestehenden Kunden zu erhöhen. Dies allein reicht aber in der Regel nicht aus, um z.B. den Umsatzverlust durch den Wegfall von zwei oder drei Schlüsselkunden zu kompensieren. Deshalb zielt ihre Strategie meist auch darauf ab, neue Kunden zu gewinnen.

Echte Neukunden sind im B2B-Bereich selten

Neue Kunden gewinnen – das klingt banal. In der Praxis erweist sich dieses Vorhaben im B2B-Bereich jedoch meist als schwierig, denn Neukunden gibt es zwar aus Beratersicht, nicht aber aus Marktsicht. Aus Marktsicht sind die so genannten Neukunden (sieht man einmal von Start-ups ab) fast immer Konkurrenzkunden – also Unternehmen, die bisher mit anderen Beratern zusammengearbeitet haben. Und das oft schon seit vielen Jahren. Entsprechend stabil sind ihre Geschäftsbeziehungen, insbesondere wenn das Geschäft floriert. Dann gibt es für die Konkurrenzkunden in der Regel keinen Grund, die bewährte Beziehung in Frage zu stellen – zumal ein Wechsel des Anbieters neben Unsicherheit meist auch Mehraufwand bedeutet.

Anders ist dies, wenn die Unternehmen nicht auf prall gefüllten Auftragsbüchern sitzen. Oder wenn für sie absehbar ist: Wenn wir jetzt nicht aktiv werden, dann haben wir in naher Zukunft ein Problem. Dann stellen die Unternehmen meist auch ihre bisherigen Problemlösungen (beispielsweise im Bereich Personalsuche und -entwicklung) und somit auch Lieferantenbeziehungen in Frage. Deshalb sind in wirtschaftlich schwierigen Zeiten die Voraussetzungen ideal, um gewachsene Kundenbeziehungen von Mitbewerbern zu knacken oder zumindest aufzuweichen. Unter einer Voraussetzung: Sie können den Kunden Ihrer Wettbewerber passende Problemlösungen anbieten.

Ziel: Sich als Zweit- oder „Spezialitäten-Lieferant“ etablieren

Doch wie sollten Sie beim Versuch, ins Revier eines Wettbewerbers einzudringen, vorgehen? Wenig erfolgversprechend ist meist ein Vorpreschen gemäß der Maxime „Alles oder nichts“ – speziell dann, wenn Ihre Leistungen für Ihre Zielkunden eine strategische Relevanz haben. Denn dann ist ein kompletter Anbieterwechsel aus Kundensicht meist mit einem zu hohen Risiko verbunden.

Dann ist meist eine Strategie erfolgversprechender, die (vorläufig) nicht darauf abzielt, den bisherigen Berater ganz aus dem Boot zu drängen, sondern sich neben ihm als Zweitlieferant bzw. Experte für Spezialthemen (wie z.B. virtuelle Teams führen) oder ausgewählte Personengruppen (wie z.B. die Mitarbeiter/Führungskräfte im Außendienst) zu etablieren.

Wenn dann aufgrund der Zusammenarbeit eine Beziehung zwischen Ihnen (beziehungsweise Ihrem Unternehmen) und den Entscheidern beim Kunden gewachsen ist, können Sie immer noch darauf hinarbeiten, Ihrem Konkurrenten den Kunden ganz abzujagen.

Die Erfolg versprechenden Zielkunden ermitteln

Ermitteln Sie, bevor Sie mit der Neukundenakquise starten, bei welchen Unternehmen sich ein solches Bemühen überhaupt lohnt. Sonst ist die Gefahr groß, dass Sie sich verzetteln. Leitfragen für das Ermitteln der Zielkunden – also der Kunden, auf die Sie Ihre Aktivitäten fokussieren sollten – können sein:

  • Welchen Unternehmen könnte ich aufgrund meiner Kompetenz beim Steigern ihrer Wettbewerbsfähigkeit helfen? Welche Merkmale kennzeichnen Sie?
  • Welche Unternehmen haben interessante Umsatzpotenziale? Und:
  • Bei welchen Unternehmen habe ich realistische Erfolgschancen, weil…?

Sind die Zielkunden identifiziert, gilt es über sie Hintergrundinformationen zu sammeln. Erkunden Sie, durch welche (individuellen) Lösungen Sie ihnen zum Beispiel beim Steigern ihrer Effizienz und Produktivität helfen können.

Per Ferndiagnose lassen sich die nötigen Infos – zum Beispiel mit Hilfe des Internets – meist nur zum Teil gewinnen. Also gilt es, eine persönliche Beziehung zu den Entscheidern aufzubauen. Vereinbaren Sie mit ihnen, nachdem Sie (zum Beispiel über LinkedIn) einen Kontakt zu ihnen angebahnt haben, beispielsweise ein „Erstgespräch“ – jedoch nicht mit der Erwartung, sogleich einen Auftrag an Land zu ziehen. Ihre Gesprächsziele sollten vielmehr sein:

  • die Organisation des Zielkunden sowie Ihre Gesprächspartner (besser) kennen zu lernen,
  • sich (und Ihr Unternehmen) als attraktiven Partner zu präsentieren und
  • den Bedarf des Zielkunden und die Bedürfnisse Ihrer Gesprächspartner zu erkunden.

Die Chancen für eine Zusammenarbeit ausloten

Im ersten Gespräch sollten Sie also ausloten, unter welchen Voraussetzungen für den Zielkunden eine Zusammenarbeit denkbar wäre und, wenn ja, in welchen Bereichen. Abhängig von den gewonnenen Infos können Sie dann über das weitere Vorgehen entscheiden.

Bei recht simplen Beratungsleistungen, bei denen es den Zielkunden weitgehend egal ist, wer ihnen diese liefert – „Hauptsache, der Preis stimmt“ – kann Ihre Strategie darauf abzielen, Ihren Wettbewerbern diese Kunden in relativ kurzer Zeit ganz abzujagen. Bei Dienstleistungen hingegen, die für deren Leistungsfähigkeit und Erfolg eine hohe Relevanz haben, sollte Ihre Strategie eher darauf abzielen,

  • mit Spezialangeboten bei dem Neukunden Fuß zu fassen, die das Angebot seiner aktuellen Lieferanten ergänzen, und/oder
  • ihm aufzuzeigen, welche Vorteile er davon hat, wenn einen weiteren Dienstleister im Bereich …. hat.

Argumente für einen weiteren Berater können sein:

  • „Wenn Sie einen weiteren Berater für das Themenfeld …. haben, ist Ihre Abhängigkeit vom Hauptlieferanten geringer.“
  • „Wenn Ihr aktueller Berater weiß, dass Sie einen weiteren Berater haben, bemüht er sich stärker um Sie.“
  • „Wenn Sie mehrere Berater haben, bekommen Sie, wenn Sie neue Problemlösungen suchen, auch mehrere Lösungsvorschläge. Das erhöht Ihre Entscheidungsmöglichkeiten.“

Ein Beziehungsgeflecht zum Zielkunden aufbauen

In guten Zeiten ringen sich Wettbewerberkunden im Erstgespräch selten dazu durch, Sie als weiteren Lieferanten zu engagieren – weil kein akuter Handlungsdruck besteht. Anders ist dies in schlechten Zeiten. Dann können Sie in relativ kurzer Zeit Erfolge einfahren, denn in ihnen haben die (Wettbewerber-)Kunden oft ein akutes Problem. Entsprechend groß ist ihr Handlungsdruck und entsprechend offen sind sie für neue Problemlösungen. Also sollten Sie ihnen solche Lösungsvorschläge unterbreiten.

Dies gelingt Ihnen um so leichter, je mehr Infos Sie über die Zielkunden haben. Deshalb sollten Sie danach streben, ein immer engeres Beziehungsgeflecht zwischen Ihnen (bzw. zwischen den Mitarbeitern Ihrer Organisation) und der Organisation Ihrer Zielkunden zu entwickeln.

Sich als der bessere, attraktivere Partner profilieren

Erfahren Sie dann, dass ein Mitbewerber auf ein Kundenproblem nicht (angemessen) reagiert oder sich mit dessen Lösung schwertut, dann ist Ihre Zeit gekommen. Dann können Sie Ihrer Kontaktperson konkrete Lösungsschritte vorschlagen – zum Beispiel: „Was halten Sie davon, dass wir uns mal zu einem Kurzworkshop treffen, um gemeinsam zu schauen, wie …“

Das heißt: Nun gehen Sie erkennbar in die Offensive, um den gewünschten Erstauftrag zu erlangen, und zwar indem Sie mit dem Zielkunden oder stellvertretend für ihn dessen akutes Problem (teilweise) lösen und sich so als der bessere Partner als der bisherige Berater profilieren. Gelingt Ihnen dies, dann haben Sie den gewünschten Hebel in der Hand, um Ihren Wettbewerber mit der Zeit ganz aus dem Boot zu drängen.

Über den Autor:

Kuntz, BernhardBernhard Kuntz ist der PRofilBerater GmbH, Darmstadt, die Bildungs- und Beratungsanbieter beim (Online-)Marketing unterstützt. Er ist Autor u.a. der Bücher „Die Katze im Sack verkaufen“, „Fette Beute für Trainer und Berater“ und „Warum kennt den jeder?“.

 
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