Der ideale Projektcoaching-Prozess

Planung
Lesedauer: 3 Minuten

Ein Projektcoaching startet stets mit einer Analyse der Ist–Situation. Das heißt, mit den relevanten Beteiligten (zum Beispiel Projektleiter, Programm-Manager, Personalentwickler, Abteilungsleiter, erfahrene Projektteammitglieder) wird eine Bestandsaufnahme durchgeführt und eine SWOT-Analyse erstellt. Dies kann durch Telefoninterviews geschehen, wenn der Zeitaufwand für die Beteiligten gering gehalten werden soll. In der Regel wird jedoch ein mehrstündiger Workshop durchgeführt. Dies hat den Vorteil, dass das Gemeinsamkeitsgefühl und somit das Commitment bereits in einer frühen Phase gestärkt wird.

Im nächsten Schritt werden die Ziele des Projektcoachings definiert. Dies geschieht mittels einer strukturierten Befragung der Key-Stakeholder, wie sie den Ideal- oder Wunschzustand beschreiben würden. Über einen Vergleich der Ergebnisse mit dem Ist-Zustand werden die Schwachstellen ermittelt, für die anschließend ein Interventionsdesign definiert wird. Das Definieren der Ziele und Maßnahmen muss im persönlichen Gespräch erfolgen, um Klarheit zu schaffen und unterschiedliche Erwartungshaltungen zu vermeiden. Auf Basis der definierten Maßnahmen erfolgt dann eine erste zeitliche Abschätzung des Aufwands. Außerdem werden Qualitätskriterien festgelegt und wird der Kostenrahmen bestimmt. Ein Projektcoaching-Prozess kann zwischen einem Monat und einem Jahr dauern.

Nach Vertragsabschluss werden die vereinbarten Maßnahmen umgesetzt. Der Projektcoach ist nun in regelmäßigen Abständen vor Ort beim Kunden, um Coachinggespräche zu führen, Sitzungen zu moderieren, Schulungen durchzuführen, Dokumentationsstrukturen anzulegen, Tools einzuführen und vieles mehr – abhängig davon, was die Situation beim Kunden erfordert.

Während der Durchführungsphase finden regelmäßig Review-Meetings mit den Auftraggebern des Projektcoachings statt. In ihnen wird überprüft, ob die Zwischenziele erreicht wurden und die Qualitätskriterien erfüllt sind. Gegebenenfalls werden Kurskorrekturen vorgenommen. Diese Review-Meetings werden von Anfang an in den Coachingprozess eingeplant.

Sind die Maßnahmen abgeschlossen, folgt die Evaluierungs- und Transferphase. Für den Transfer werden Vereinbarungen zur eigenständigen Umsetzung getroffen. Fortan ist es die Aufgabe der Zielorganisation, das Umsetzen der Vereinbarungen zu monitoren. Bei der Evaluation werden auch die Geschehnisse der letzten Wochen oder Monate reflektiert: „Was lief gut, was weniger gut?“ „Was werden wir beim nächsten Projekt anders machen?“ Gegenseitiges Feedback rundet das Projektcoaching ab. Nicht nur der Coachee, also zum Beispiel der Projektleiter erhält ein Feedback, sondern auch der Projektcoach vom Coachee und Auftraggeber, so dass im Ziel- und im Coachingsystem positive Veränderungen stattfinden können.

Ein Projektbeispiel

Wie das Interventionsdesign praktisch aussehen kann, sei am Beispiel eines Projektcoachings beschrieben, das bei einem mittelständischen Technologieunternehmen stattfand, mit dem Ziel ein Projekt zur Entwicklung eines neuen Produkts und dessen europaweiter Einführung zu initiieren (siehe Grafik 2). Im ersten Schritt wurde besonderen Wert auf das Einbeziehen der Stakeholder in das Projekt gelegt. In einer Coachingsitzung mit dem Projektleiter wurde hierfür das Bewusstsein geschärft und wurden die wichtigen Steps zur schrittweisen Einbindung festgelegt. Ein wesentliches Element zum Generieren des Stakeholder-Commitments war ein gemeinsamer Workshop zur Definition der Produktanforderungen. Dieser Workshop wurde vom Projektcoach moderiert, um einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten. Ein Ergebnis des Workshops war eine Liste von Produktanforderungen und eine Priorisierung von diesen. Beim Definieren der Anforderungen traten zwischen den Projektbeteiligten aufgrund ihrer unterschiedlichen Funktionen in der Organisation (wie üblich) Zielkonflikte auf. Deshalb war es wichtig, dass der Projektcoach und der Projektleiter mit den verschiedenen Methoden zur Konfliktlösung beziehungsweise -moderation vertraut waren.

Nachdem die Anforderungen formuliert waren, ging es darum, diese so darzulegen, dass das Top-Management eine Go/No-go Entscheidung für das Produktentwicklungsprojekt treffen konnte. In einer Beratungseinheit wurde nun vom Projektcoach eine sinnvolle Dokumentationsstruktur vorgeschlagen. Als die Dokumentation (Projektantrag beziehungsweise Project Charter) vorlag, folgte ein Review durch die Stakeholder, ob in sie die vereinbarten Anforderungen adäquat eingeflossen sind. Das geschah erneut in einem Workshop, der auch das Ziel hatte, den Teamgeist zu stärken und das Commitment zu festigen.

Damit war der Projektantrag jedoch noch nicht vom Management freigegeben. Also trafen sich der Projektleiter und der Projektcoach erneut zu einer Coachingsitzung, und überlegt gemeinsam, was für eine positive Managemententscheidung nötig ist. Bei diesem Treffen ging es außer um inhaltliche Aspekte auch um den Aufbau und die optische Darstellung der Präsentationsunterlagen. Bei der Präsentation selbst war der Coach nicht anwesend. Denn die Managementpräsentation ist ein Teil des Zielsystems und nicht des Coachingsystems .

Nachdem eine positive Managemententscheidung getroffen war, waren der Projektinitiierungsprozess und somit auch das Projektcoaching weitgehend beendet. Der Coach sowie der Projektleiter und der Auftraggeber trafen sich jedoch nochmals zu einem Abschlussgespräch, in dem sie sich wechselseitig Feedback gaben und gemeinsam den Initiierungsprozess und das Projektcoaching reflektierten. Hierauf aufbauend wurde ein Verfahren für das Initiieren von Projekten definiert, das als verbindlich für künftige Projekte erklärt wurde.

Fazit

Durch ein systemisches Projektcoaching können auch in Unternehmen mit wenig Projekterfahrung komplexe Projekte auf die Erfolgsspur geführt werden. Zudem kann die Kompetenz in Sachen Projektmanagement bei den Projektbeteiligten erhöht werden.

Wie erfolgreich ein Projektcoaching verläuft, hängt stark davon ab, ob der Coach die richtige Balance zwischen Fachberatung und Prozessbegleitung findet. Er muss sich bei seiner Arbeit immer einen neutralen Blick bewahren und darf sich nicht in inhaltliche Projektfragen verwickeln lassen oder gar inhaltliche Verantwortung übernehmen. Durch Wertschätzung aller Projektbeteiligten muss er ihm gelingen, festgefahrene Muster in der Zusammenarbeit der Beteiligten zu erkennen und sie zu neuen Sicht- und Verhaltensweisen zu ermutigen.

Lesen Sie in Teil 1: Projektcoaching: Projektteams, -leiter und -mitarbeiter coachen

Über die AGoebel-Born, Christineutorin:

Christine Goebel-Born arbeitet als Consultant für die Unternehmensberatung Machwürth Team International (MTI Consultancy), Visselhövede (D), für die weltweit 450 Berater, Trainer und Projektmanager tätig sin d. Vor ihrer Beratertätigkeit war sie bei einem Technologie-Konzern für die Einführung hoch-innovativer Produkte zuständig. Ihre Beratungsschwerpunkte liegen in den Themenfeldern (internationales) Projekt-, Prozess- und Change-Management sowie Leadership Development.

 
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