Bei vielen Changeprojekten werden die Ziele nur teilweise erreicht. Eine häufige Ursache hierfür: Beim Planen der Projekte werden die kulturellen Aspekte jeder Strukturveränderung nicht ausreichend bedacht. Das erzeugt unnötige Widerstände und wirkt sich auch auf die betriebswirtschaftlichen Ergebnisse aus.
Fast alle (Groß-)Unternehmen haben inzwischen viel Erfahrung mit Change- beziehungsweise Veränderungsprojekten gesammelt. Deshalb ist ihre Professionalität beim Managen solcher Projekte gestiegen. Trotzdem werden noch bei vielen Changeprojekten die definierten Ziele nur teilweise oder mit erheblicher Zeitverzögerung erreicht.
Die häufigste Ursache hierfür: Beim Planen, Initiieren, Gestalten und Steuern der Changeprozesse richten die Verantwortlichen ihr Augenmerk meist primär auf die Strukturen. Sie vernachlässigen jedoch die kulturellen Aspekte jeder strukturellen Veränderung und unterschätzen deren Relevanz für den betriebswirtschaftlichen Erfolg.
Die Wechselwirkungen analysieren
Sie übersehen zudem oft die Wirkungszusammenhänge zwischen den verschiedenen Dimensionen eines Changeprozesses. Diese seien an einem fiktiven, aber realistischen Beispiel illustriert. Bei einer Versicherungsgesellschaft sollen die Außendienstmitarbeiter künftig auch die Policierung vornehmen. Der Kunde soll also, wenn er sich für eine Versicherung entscheidet, sofort den Vertrag erhalten. Hierfür muss die IT des Assekuranzunternehmens umgestaltet werden. Außerdem müssen die Außendienstmitarbeiter mit ihren Laptops Zugang zum zentralen Rechner erhalten. Noch bedeutsamer ist aber: Auch die Arbeitsprozesse in der Zentrale der Versicherungsgesellschaft ändern sich – unter anderem, weil solche Arbeiten wie das Erfassen der Kundendaten und das Bearbeiten der Anträge entfallen. Also müssen für die bisher hierfür zuständigen Sachbearbeiter, sofern sie nicht entlassen werden, neue Aufgabenfelder gefunden werden. Zum Beispiel als Kundenbetreuer im Callcenter der Versicherungsgesellschaft. Das setzt bei den Sachbearbeitern, die bisher kaum Kundenkontakt hatten, einen mentalen Turn-around voraus. Entsprechend groß sind ihre Ängste und, sofern auf diese nicht angemessen reagiert wird, auch ihre Widerstände.
In der Regel steuern Unternehmen heute Veränderungsprozesse auf der strukturellen Ebene routiniert. Die Bedeutung der kulturellen Ebene für den Projekterfolg wird jedoch oft unterschätzt und von den Projektverantwortlichen zuweilen sogar als „Psycho-Kram“ abgetan, mit dem sich die Führung vor Ort befassen soll. Das führt in der Praxis häufig dazu, dass sich latente Ängste der Mitarbeiter zu massiven Widerständen gegen das Neue verfestigen, die zu überflüssigen Reibungsverlusten sowie Terminverzögerungen führen.
Kulturelle Aspekte schon beim Planem beachten
Deshalb sollten die kulturellen Aspekte eines Changeprojekts schon in dessen Planungsphase angemessen berücksichtigt werden. Zudem sollten in das Projektdesign Maßnahmen integriert sein, um den kulturellen Wandel zu meistern. Diese müssen abhängig von der Phase, in der sich der Veränderungsprozess befindet, einen unterschiedlichen Charakter haben. So sollte zum Beispiel in der Startphase stark für die anstehenden Veränderungen geworben werden. Ein Instrument hierzu sind Großveranstaltungen, in denen der Vorstand oder die Geschäftsleitung die Mitarbeiter über die geplanten Veränderungen informiert. Je weiter der Prozess fortgeschritten ist, umso stärker gewinnen Maßnahmen an Bedeutung, die eher einen individuellen Coachingcharakter haben – also den Einzelnen beim Meistern der Veränderungen unterstützen.
Lesen Sie in Teil 2: Die 7 Phasen eines Changeprozesses
Zum Autor:
Dr. Georg Kraus ist geschäftsführender Gesellschafter der international agierenden Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal, für die über 100 Berater, Trainer und Projektmanager arbeiten. Der diplomierte Wirtschaftsingenieur promovierte an der TH Karlsruhe zum Thema Projektmanagement. Er ist u.a. Autor des „Change Management Handbuch“ und zahlreicher Projektmanagement-Bücher. Seit 1994 ist er Lehrbeauftragter an der Universität Karlsruhe, der IAE in Aix-en-provence und der technischen Universität Clausthal.