Marko Hamel, Gründer und Geschäftsführer von Visual Selling – der Strategieberatung für visuelle Kommunikation im Business erklärt im Gespräch, warum und wie er Businessproblemen visuell begegnet.
Herr Hamel, wie werden Businessprobleme bisher im Allgemeinen gehandhabt?
Marko Hamel: Die meisten Probleme werden am Schreibtisch gelöst. Zumindest wird es versucht. Entweder einer brütet alleine vor sich hin oder mehrere treffen sich in einem Meeting – und wie wenig produktiv diese sind, wissen wir wohl alle – und überlegen, was helfen könnte. Geht intern gar nichts vorwärts, wird ein externer Berater geholt, der dann oftmals ein Standardkonzept präsentiert, das dem Unternehmen in Best-Practice-Manier übergestülpt wird. Das wirkliche Problem wird damit weder sicht- noch lösbar.
Es gibt also unerkannte Probleme?
Marko Hamel: Ja, ich will das an einem Beispiel verdeutlichen: Nehmen wir das Thema Digitalisierung. Diese wird meist rein technisch gesehen. Neue Systeme und Geschäftsprozesse werden aufgebaut. Doch das reicht nicht, weil ein Wandel des gesamten Arbeitens damit verbunden ist. Der Umgang miteinander, untereinander verändert sich. Genau das wird aber in der herkömmlichen Herangehensweise – beispielsweise durch rein lineares Denken – nicht betrachtet. Businessmodelle scheitern deshalb leicht an versteckten Stolpersteinen. In diesem Zusammenhang könnte das beispielsweise der Fachkräftemangel sein, den man nicht von Anfang des Prozesses an konsequent genug beachtet hat.
Warum ist das Ihrer Meinung nach so?
Marko Hamel: Wirklich erstaunlich in diesem Zusammenhang ist, dass das Wissen, sprich Antworten auf die wichtigsten Fragen bzw. die Lösung für bestimmte Probleme, bereits in den Unternehmen steckt. Trotzdem können in den meisten Fällen die aktuellen Businessprobleme nicht gelöst werden. Ganz einfach deshalb, weil nicht oder eher schädigend darüber kommuniziert wird. Entweder es findet überhaupt kein Dialog statt oder nur auf einer bestimmten Ebene. Eine wirklich interdisziplinäre Zusammenarbeit zum Lösungsansatz aus verschiedenen Perspektiven fehlt meist komplett. Eine besondere Herausforderung gerade für Führungskräfte besteht außerdem darin, innovative Ideen und Strategien intern und extern so zu ‚verkaufen’, dass alle Beteiligten engagiert und ohne die ansonsten üblichen Ängste vor Veränderungen an der Umsetzung mitwirken.
Wie unterstützt die Visualisierung einen solchen Prozess?
Marko Hamel: In einem Workshop arbeiten unterschiedliche Menschen zusammen. Jeder zeigt aber nur sein eigenes Bild. Introvertierte geben kaum etwas preis, so dass ihre wertvolle Meinung nicht zur Geltung kommt. Bei einer gut moderierten Visualisierung können im Dialogmodell Ideen zusammengeführt werden. Jeder sieht die unterschiedlichen Bilder der Teilnehmer von ein und derselben Sache. Erst wenn bekannt ist, was alles in den Köpfen drin ist, lässt sich die Ausgangslage formulieren und festhalten. Das Problem ist wie ein Eisberg. Zu sehen ist nur das obere Drittel. Der verborgene größere Teil muss erst sichtbar gemacht werden.
Wird die Visualisierung tatsächlich in den Alltag übernommen?
Marko Hamel: Ohne Verinnerlichung ist ein Rückfall auf Sprache und Geschriebenes vorprogrammiert, der Mensch ist schließlich ein Gewohnheitstier – und WISSEN ist nicht gleich KÖNNEN. Bei einer gemeinsamen Erarbeitung besteht diese Gefahr kaum. Meist kommen Unternehmen mit einem Thema in den Workshop. Sobald es die Teilnehmer aufzeichnen, wird klar, dass eine ganze Themenwelt dahinter steckt. So aufgedeckte Randthemen und –gebiete werden fast automatisch ebenfalls visualisiert und behandelt.
Schaffen die Teilnehmer das alleine?
Marko Hamel: Ein guter Moderator ist schon wichtig, ebenso die Arbeit in kleinen Gruppen. Unter Anleitung wird dokumentiert. Jeder ist angehalten, zur Problemlösung beizutragen. Beratung ist da – zumindest zum Beginn – essentiell.
Unterstützt die Methodik dabei, zu fokussieren?
Marko Hamel: Fokussieren ist eine Aufgabe. Dabei dürfen aber die anderen Themen nicht verloren gehen. Um im Bild zu bleiben: Mal wegzoomen und das Große und Ganze betrachten, einen anderen Blickwinkel einnehmen – von unten, von oben, von der anderen Seite – ist enorm wichtig. Wir erhalten immer wieder die Rückmeldung, dass in einem Tag so viel mehr zu lösen ist, wenn es in einem moderierten Dialog passiert und vor allem visuell begleitet wird. Das ist ganz anders als drei Wochen allein am Schreibtisch zu grübeln, sich eine Strategie zu überlegen und letztendlich bei einer trockenen Präsentation keinen wirklich mitzunehmen. Wer aus einem Workshop kommt, merkt wie viel Potential da ist und was seine Leute in so kurzer Zeit mit Spaß schaffen können.
Können Sie das an einem Beispiel erläutern?
Marko Hamel: Gerne! Bei einem Strategie-Workshop in einem IT-Unternehmen, das sich neu positioniert hat, wurden extrem gute Resultate erzielt. Zunächst wurden die anzusprechenden Kunden lokalisiert. Der Technologiebereich wird ja von sehr guten Technikern dominiert. Aber die denken und handeln nicht so wie ihre Kunden. Die interessiert Digitalisierung, weil sie wissen, dass sie notwendig ist, um vorne zu bleiben. Sie fragen: Was bringt sie mir? Was ist der Nutzen? Im Workshop konnten wir genau diese Kundenperspektive einnehmen: Den Nutzen, den die Technologie den Menschen bringt und nicht die Technologie für sich selbst. Sie ist nur ein Mittel. Im Fokus stehen sollte der Mensch. Mit der Visualisierung bedeutsamer Bilder konnten wir eine Brücke bauen zwischen Mensch, Technologie und Problemlösung – und so neue Wege zum Ziel gestalten.
Herr Hamel, vielen Dank für das Gespräch!