

Die Ur-Programme laufen in uns allen ab. Sie sind das Ergebnis unserer Evolution. Sie entwickelten sich aufgrund der Notwendigkeit unserer Vorfahren, trotz Bedrohung unter anderem durch Kälte, Hunger und Raubtiere zu überleben. Diese Programme aktivieren sich selbstständig, wenn wir bestimmte Umweltreize wahrnehmen. Typische Ur-Programme sind das Flucht- und Angriffsprogramm.
Symptome dieser Ur-Programme nehmen wir laut Vogel immer wieder wahr – zum Beispiel, wenn wir vor Wut zittern oder vor Aufregung feuchte Hände bekommen. Meist empfinden wir diese Reaktionen als störend. Denn anders als bei unseren Vorfahren sind sie heute in unserer „gezähmten“ Umwelt nur noch selten nützlich. Oft mindern sie sogar unsere Lebensqualität. Ein klassisches Beispiel hierfür sind Prüfungsängste, bei denen der Verstand geradezu auszusetzen scheint, weil ein Fluchtprogramm die Kontrolle über unser Verhalten übernommen hat.
Die Ur-Programme sind bei allen Menschen gleich. Trotzdem reagiert jeder Mensch auf die gleiche Situation verschieden. Während der eine angesichts seiner Angebeteten „weiche Knie“ bekommt, sprüht einer anderer vor Wortwitz. Dieses unterschiedliche Verhalten resultiert daraus, dass Menschen dieselbe Situation verschieden wahrnehmen.
Für diese unterschiedliche Bewertung sorgen die „mentalen Muster“. Sie sind die „Filter“, durch die wir unsere Umwelt wahrnehmen. Sie bestehen unter anderem aus Glaubenssätzen, die wir im Laufe unseres Lebens verinnerlicht haben. Solche Glaubenssätze können laut Sabine Prohaska sein:
- „Egal, was mir passiert, ich meistere es irgendwie.“
- „Ich bin immer das Opfer.“
- „Alle Menschen müssen mich lieben.“
- „Ich kann mich (nicht) verändern.“
- „Ich bin (k)ein wertvoller Mensch.“
- „Ich bin (nicht) begehrenswert.“
Diese Sätze sind weder beweisbar noch widerlegbar, weshalb sie „Glaubens“-Sätze heißen. Trotzdem gestalten sie unsere Realität. Denn sie beeinflussen unsere Wahrnehmung und bestimmen unsere Reaktion auf Umweltreize.
Angela Kissel erläutert dies an einem Beispiel. Angenommen eine Führungskraft hat den Glaubenssatz verinnerlicht „Ablehnung ist etwas Schlimmes. Alle Menschen müssen mich mögen.“ Wie reagiert sie, wenn sie einen Mitarbeiter wegen mangelnder Leistung kritisieren sollte? Vermutlich erlebt sie die Aufgabe als Bedrohung. Also sucht sie Ausflüchte, um die Aufgabe nicht wahrzunehmen. Oder sie verpackt ihre Kritik in so viel Watte, dass die Botschaft beim Mitarbeiter nicht ankommt. Der Glaubenssatz wirkt sich also „destruktiv“ auf die Arbeit der Führungskraft aus.
Schlüssel zum Innern: die Emotionen
Unsere Glaubenssätze stehen in einem engen Zusammenhang mit unserer Lebensgeschichte. Einige wirken konstruktiv, andere destruktiv. Welche Glaubensätze in uns wirken, können wir ermitteln. Der Schlüssel hierzu liegt in unseren Emotionen. Denn allen Emotionen liegen Glaubenssätze zu Grunde, betont Ingo Vogel. Über sie können wir unsere unbewussten Glaubenssätze ins Bewusstsein heben, so dass wir sie bearbeiten können. Doch Vorsicht: Ein und dieselbe Emotion kann mit verschiedenen Glaubenssätzen verknüpft sein.
Tabelle: Beispiele für Verknüpfungen Emotion-Glaubenssatz
Emotionen | (Mögliche) Glaubenssatz |
Unterlegenheit |
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Unsicherheit / Angst |
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Ärger |
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Niedergeschlagenheit |
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Indem wir unsere Emotionen registrieren und analysieren, können wir unsere Glaubenssätze ermitteln. Wir können zudem herausfinden, ob es konstruktive sind oder solche, die zu einem unangebrachten Verhalten führen. Damit ist das Fundament gelegt, um destruktive Glaubenssätze durch konstruktive zu ersetzen und unser Verhalten zu verändern.
Erlerntes verlernen
Dazu gilt es laut Prohaska zunächst, den Irrglauben zu überwinden: Glaubenssätze sind unveränderbar. Das trifft nicht zu! Unsere Glaubenssätze haben wir erlernt. Und was wir erlernt haben, können wir auch wieder verlernen, indem wir uns neue konstruktive Glaubenssätze aneignen. Hierfür müssen wir zunächst zu dem destruktiven Satz ein konstruktives Gegenstück formulieren. Wir können zum Beispiel den destruktiven Glaubenssatz „Ich muss perfekt sein“ durch den Satz „Ich darf Fehler machen und daraus lernen“ ersetzen.
Hierbei muss jeder für sich die passenden Worte finden. Wichtig ist laut Ingo Vogel jedoch, den neuen konstruktiven Glaubenssatz positiv zu formulieren. Also nicht zum Beispiel den Satz „Ich muss perfekt sein“ durch den Satz „Ich muss nicht perfekt sein“ ersetzen. Denn unser Unterbewusstsein reagiert auf Verneinungen nicht.
Haben wir so unsere destruktiven Glaubenssätze in konstruktive umgewandelt, müssen wir sie verinnerlichen. Das gelingt uns zum Beispiel, indem wir sie aufschreiben und dafür sorgen, dass wir immer wieder an sie erinnert werden. Denn das Verankern von neuen Glaubenssätzen dauert seine Zeit. Vogel empfiehlt: Schreiben Sie Ihre konstruktiven Glaubenssätze zum Beispiel auf Notizzettel und kleben Sie diese in Ihr Auto, an Ihren Badezimmerspiegel oder Ihren PC-Monitor im Büro. Dann spüren Sie nach einiger Zeit, wie Sie die Sätze allmählich verinnerlichen und sich Ihr Verhalten ändert.
Lesen Sie Teil 1 „Was blockiert mich?„